Die Katze
mehrmals versucht, dich anzurufen, aber du warst nicht da.«
»Du hast keine Nachricht hinterlassen.«
»Du weißt doch, dass ich die Dinger hasse«, sagte ihre Mutter.
Charley lächelte. Nachdem sie nach zwei Jahrzehnten im Outback erst vor kurzem nach Palm Beach gezogen war, lebte ihre Mutter in schrecklicher Furcht vor allen auch nur vage technisch anmutenden Gerätschaften und besaß weder einen Computer noch ein Handy. Eine Mailbox war ihr nicht geheuer, das Internet schlicht jenseits ihres Fassungsvermögens. »Ich bin nach Miami gefahren und habe Bram besucht«, erklärte Charley ihr.
Schweigen. Dann: »Wie geht es deinem Bruder?«
»Ich weiß es nicht. Er war nicht in seiner Wohnung. Ich habe stundenlang auf ihn gewartet.«
»Wusste er, dass du kommst?«
»Ja.«
Erneutes Schweigen, länger als das erste. »Glaubst du, er …?« Die Stimme ihrer Mutter verlor sich.
»… trinkt und nimmt Drogen?«
»Glaubst du?«
»Kann sein. Ich weiß es nicht.«
»Ich mache mir solche Sorgen um ihn.«
»Ein bisschen spät, findest du nicht?« Die Worte waren heraus, bevor Charley sich bremsen konnte. »Tut mir leid«, entschuldigte sie sich sofort.
»Das ist schon in Ordnung«, sagte ihre Mutter versöhnlich. »Das habe ich wohl verdient.«
»Ich wollte nicht gemein sein.«
»Natürlich wolltest du das«, gab ihre Mutter ohne Groll zurück. »Deswegen bist du auch eine so gute Autorin. Und deine Schwester eine so mittelmäßige«, konnte sie sich nicht verkneifen hinzuzufügen.
»Mutter …«
»Tut mir leid, Liebes. Ich wollte nicht gemein sein«, borgte sie sich Charleys Worte.
»Natürlich wolltest du das.« Charley lächelte und spürte, dass ihre Mutter das Gleiche tat. »Ich muss jetzt Schluss machen.«
»Ich dachte, ich könnte vielleicht später vorbeikommen und die Kinder sehen …«
»Klingt super.« Abwesend öffnete Charley eine weitere E-Mail.
Von : Eine Person mit Geschmack
An: Charley@Charley’ sWeb.com
Betreff: Böse Mädchen
Datum: Montag 22. Januar 2007 10:40:05 EST
Liebe Charley,
auch wenn ich normalerweise ein Mensch bin, der an die Devise LEBEN UND LEBEN LASSEN glaubt, hat mich deine letzte Kolumne doch ins Grübeln gebracht. Deine vorletzte Kolumne über Sexspielzeuge war schon schlimm genug, aber deine jüngste ist ein Affront gegen gute Christen überall. Du bist abscheulich, widerlich und pervers. Du hast es verdient, IN DER HÖLLE ZU SCHMOREN. Deshalb STIRB, SCHLAMPE, STIRB und nimm deine Bastardkinder gleich mit!
P.S.: Ich würde sie an deiner Stelle gut im Auge behalten. Du wärst entsetzt darüber, wozu manche Menschen fähig sind.
Charley spürte, wie ihr der Atem in der Lunge gefror. »Mutter, ich muss jetzt wirklich Schluss machen.« Sie legte den Hörer auf, warf beim Aufspringen ihren Stuhl um und stürzte aus ihrer Zelle.
KAPITEL 2
»Okay, Charley, versuchen Sie, sich zu beruhigen.«
»Wie soll ich mich beruhigen? Irgendein Irrer bedroht meine Kinder.«
»Verstehe. Atmen Sie ein paarmal tief durch und erzählen Sie mir noch einmal …«
Charley schnappte zweimal tief Luft, während Michael Duff sich hinter seinem massiven Eichenschreibtisch erhob und zur Tür des verglasten Büros in der südwestlichen Ecke des Stockwerks ging.
Davor hatten sich bereits etliche Kollegen versammelt, um zu sehen, was es mit dem Tumult auf sich hatte. »Probleme?«, fragte irgendjemand.
»Alles in bester Ordnung«, erklärte Michael ihnen.
»Alles Charley«, hörte sie jemanden abschätzig murmeln, als Michael die Tür schloss.
»Okay, erzählen Sie mir noch einmal genau, was in der E-Mail stand«, forderte er sie auf und bedeutete ihr, Platz zu nehmen.
Aber Charley ignorierte die beiden grünen Lederstühle vor Michaels Schreibtisch, Sie lief lieber auf dem sandfarbenen Teppich auf und ab. Der Regen prasselte weiter unablässig gegen die Fenster und übertönte beinahe den Verkehrslärm von der nahen I-95. »In der E-Mail stand, ich solle in der Hölle schmoren. Und dann wörtlich: ›Stirb, Schlampe, stirb und nimm deine Bastardkinder gleich mit.‹«
»Okay, der Schreiber ist offensichtlich nicht Ihr größter Fan …«
»Und dann stand da noch, dass ich sie gut im Auge behalten solle, weil man nie wisse, wozu Menschen fähig seien.«
Michael legte besorgt die Stirn in Falten, hockte sich auf die Schreibtischkante und kniff die Augen zusammen. »Sonst noch was?«
»Nein, das war alles. Das reicht ja wohl.«
Michael rieb sich mit seiner Pranke über das
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