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Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Titel: Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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Zuspätkommen hervor, noch beachtete er den Tadel, den er erhielt, weil er das mittägliche Essenssignal völlig ignoriert hatte.

    Nun stimmen alle entfernten Verwandten von Randolph Carter darin überein, daß sich in seinem zehnten Lebensjahr irgend etwas zutrug, was seine Einbildungskraft steigerte. Sein Cousin, Ernest B. Aspinwall, Esq., aus Chicago ist ganze zehn Jahre älter als er, und erinnert sich deutlich, daß nach dem Herbst 1883 mit dem Jungen eine Veränderung vorging. Randolph hatte auf phantastische Szenerien geblickt, die sonst kaum jemand geschaut haben kann; und noch befremdlicher waren manche der Eigenschaften, die er in bezug auf sehr weltliche Dinge an den Tag legte. Kurz gesagt, er schien die unheimliche Gabe der Prophetie empfangen zu haben, und zeigte ungewöhnliche Reaktionen auf Ereignisse, die im Augenblick zwar belanglos schienen, im nachhinein aber seine eigenartigen Empfindungen rechtfertigten.

    Als in den folgenden Dekaden nach und nach neue Erfindungen, neue Geschehnisse und neue Namen im Buch der Geschichte auftauchten, entsannen sich die Leute hin und wieder verwundert daran, wie Carter vor Jahren eine beiläufige Bemerkung gemacht hatte, die in unverkennbarem Zusammenhang mit dem stand, was damals noch in ferner Zukunft lag. Er begriff diese Worte selber nicht und wußte ebenso wenig, warum gewisse Dinge gewisse Gefühle in ihm auslösten; er vermutete jedoch, daß irgendein vergessener Traum dafür verantwortlich sei. Bereits 1897 erbleichte er, wenn ein Reisender die französische Stadt Belloy-en-Santerre erwähnte, und seine Freunde erinnerten sich dessen, als er dort 1916, als Fremdenlegionär im Weltkrieg kämpfend, fast tödlich verwundet wurde. Carters Verwandte reden viel über diese Dinge, denn er ist kürzlich verschwunden. Sein kleiner, alter Diener Parks, der seine Grillen jahrelang geduldig ertragen hat, sah ihn zuletzt an dem Morgen, an dem er mit einem unlängst gefundenen Schlüssel allein in seinem Wagen davonfuhr. Parks hatte ihm geholfen, den Schlüssel aus dem Kasten zu holen, und sich dabei von den grotesken Schnitzereien auf dem Deckel und von noch etwas anderem, das er nicht bezeichnen konnte, merkwürdig ergriffen gefühlt. Als Carter ging, hatte er gesagt, er wolle sein altes Herkunftsland bei Arkham besuchen.

    Auf halber Höhe des Elm Mountain, auf dem Weg zu den Ruinen des alten Carterschen Anwesens, entdeckten sie seinen sorgfältig am Straßenrand abgestellten Wagen; und darin lag ein Kasten aus duftendem Holz mit Schnitzereien, die die Bauern erschreckten, die ihn zufällig fanden. Der Kasten enthielt nur ein wunderliches Pergament, dessen Schriftzeichen kein Linguist oder Paläograph entziffern oder identifizieren konnte. Eventuelle Fußspuren hatte der Regen längst verwischt; obwohl nach Meinung der Mitglieder der Bostoner Untersuchungskommission einiges dafür sprach, daß sich jemand zwischen den eingestürzten Balken des Carterschen Anwesens zu schaffen gemacht hatte. Es schien, behaupteten sie, als hätte vor nicht allzu langer Zeit jemand in den Ruinen herumgestöbert. Ein gewöhnliches, weißes Taschentuch, das man zwischen Waldfelsen auf der jenseitigen Hügelflanke sicherstellte, läßt sich nicht als Eigentum des Vermißten identifizieren.

    Es geht die Rede, man wolle Randolph Carters Besitz unter seinen Erben aufteilen, doch ich werde mich diesem Vorhaben entschieden widersetzen, denn ich glaube nicht, daß er tot ist. Es existieren Verschlingungen von Zeit und Raum, von Vision und Realität, die nur ein Träumer erahnen kann; und aus dem, was ich über Carter weiß, schließe ich, daß er bloß einen Weg gefunden hat, diese Irrgärten zu durchqueren. Ob er jemals zurückkommen wird, weiß ich nicht. Ihn verlangte nach dem Land der Träume, das er verloren hatte, und er sehnte sich nach den Tagen seiner Kindheit. Dann fand er einen Schlüssel, und irgendwie glaube ich, daß er es geschafft hat, ihn zu wunderlichem Nutzen zu gebrauchen.

    Ich werde ihn fragen, wenn ich ihn sehe, denn ich erwarte, ihm schon bald in einer gewissen Traumstadt zu begegnen, die wir beide aufzusuchen pflegten.

    In Ulthar, jenseits des Flusses Skai, munkelt man von einem neuen König, der auf dem Opalthron von Ilek-Vad regiert, jener fabulösen Stadt der Türmchen, oben auf den hohlen Glasklippen, die das Dämmermeer überschauen, worin die bärtigen und flossenbewehrten Gnom ihre eigentümlichen Labyrinthe anlegen, und ich glaube, ich weiß schon, wie dies

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