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Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen

Titel: Die Katzen von Ulthar: Und andere Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Howard Phillips Lovecraft
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man einem Kind erzählen sollte, das ohnehin schon viel zu viel Hausen im Kopf hätte. Er versuchte sich daran zu erinnern, wo genau er den Schlüssel gefunden hatte, doch irgendwie verwirrte sich dabei alles schrecklich. Er vermutete, es war in der Dachkammer zu Hause in Boston, und entsann sich verschwommen, wie er Parks mit einem halben Wochenlohn bestach, ihm beim Öffnen des Kastens zu helfen und den Mund zu halten; doch als er sich dessen entsann, kam ihm das Gesicht von Parks sehr merkwürdig vor, so als hätten die Falten langer Jahre den flinken, kleinen Cockney zerfurcht.

    »Ran … die! Ran … die! He! He! Randy!« Um die schwarze Wegbiegung erschien eine schwankende Laterne, und der alte Benijah fuhr auf die stumme und verwirrte Gestalt des Pilgers los.

    »Verdammt nochma’, Junge, hier biste also! Haste denn kein’n Mund nich zum Antworten? Seit ‘ner halben Stunde blök’ ich schon durch die Gegend, da mußte mich doch längst gehört ham. Weißte denn gamich, daß deine Tante Marthy ganz zappelich iss, weil de im Dunkeln noch draußen bist?

    Wart’ nur, wenn ich das dei’m Onkel Chris erzähln tu, wenn er heimkommt.

    Dabei weißte doch genau, daß die Wälder hierum nich der Ort sinn, wo man zu so ‘ner Stund’ drin rumtrapsen sollt’! Da sinn Dinger unterwegs, die wo niemand nich gut tun, wie mein Opsch auch schon immer gesacht hat. Na los, Mister Randy, die Hannah hält’s Essen auch nich ewich warm!«So wurde Randolph Carter die Straße hinaufgeführt, wo wunderliche Sterne durch hohes, herbstliches Astwerk schimmerten. Und Hunde schlugen an, als an der jenseitigen Kurve das gelbe Licht kleiner Fensterscheiben aufschien, und die Plejaden blinkten über einer offenen Hügelkuppe, wo sich ein großes Walmdach schwarz gegen den trüben Westen abzeichnete. Tante Martha stand in der Tür und schimpfte nicht allzu sehr, als Benijah den Herumtreiber hineinschob. Sie kannte Onkel Chris gut genug, um solche Dinge von einem Carter zu erwarten. Randolph zeigte seinen Schlüssel nicht, sondern aß still das Abendbrot und protestierte erst, als er zu Bett gehen sollte. Manchmal träumte er besser im Wachen, und außerdem wollte er den Schlüssel benutzen.

    Am Morgen war Randolph zeitig auf den Beinen und würde sich in das höhergelegene Waldstück davongemacht haben, hätte ihn Onkel Chris nicht festgehalten und auf seinen Stuhl beim Frühstückstisch gedrückt. Sein Blick wanderte unstet durch den niedrigen Raum mit dem Flickenteppich, den offenen Balken und Eckpfeilern, und er lächelte nur, als die Zweige des Obstgartens an den Bleiglasscheiben des rückwärtigen Fensters kratzten. Die Bäume und die Hügel befanden sich in seiner Nähe und bildeten die Tore zu jenem zeitlosen Reich, das seine wahre Heimat war.

    Als er dann gehen durfte, fühlte er in seiner Jackentasche nach dem Schlüssel; und als er sich vergewissert hatte, machte er sich aus dem Staub durch den Obstgarten zu der Anhöhe, wo der bewaldete Berg wieder höher anstieg als die baumlose Kuppe. Der Waldboden war moosig und geheimnisvoll, und große, flechtenüberwachsene Felsen erhoben sich hier und da undeutlich im schummerigen Licht, wie druidische Monolithen zwischen den geschwollenen und verrenkten Stämmen eines heiligen Haines. Einmal überquerte Randolph bei seinem Aufstieg einen rauschenden Bach, dessen Wasserfälle ein klein wenig abseits runische Beschwörungen für die lauernden Faune, Ägipane und Dryaden sangen.

    Dann kam er zu der seltsamen Höhle im Waldhang, der gefürchteten »Schlangengrube«, die die Bauern mieden und vor der Benijah nicht müde geworden war ihn zu warnen. Sie war tief; viel tiefer als irgend jemand außer Randy ahnte, denn der Junge hatte in der alleräußersten, schwarzen Ecke einen Spalt entdeckt, der in eine größere Grotte dahinter führte ein unheimlicher Begräbnisplatz, dessen Granitwände die eigenartige Illusion vermittelten, künstlich geschaffen zu sein. Auch diesmal kroch er wie immer hinein, beleuchtete sich den Weg mit Streichhölzern, die er aus dem Streichholzständer im Wohnzimmer stibitzt hatte und zwängte sich mit einer ihm selbst kaum verständlichen Ungeduld durch die letzte Spalte. Er wußte nicht, warum er auf die gegenüberliegende Wand so zuversichtlich zuging, oder wieso er dabei instinktiv den großen Silberschlüssel hervorzog. Doch er schritt weiter, und als er in jener Nacht zum Haus zurücktanzte, da brachte er weder eine Entschuldigung für sein

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