Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Keltennadel

Die Keltennadel

Titel: Die Keltennadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
Vom Netzwerk:
hatte, die sie aber nie zu Gesicht bekam. Wenn das Schreiben eine Erfindung war, hatte er sie von Anfang an für dumm verkauft. Aber selbst die Annahme, dass es existierte, war kein Trost, denn es hatte ihm die Gelegenheit gegeben, Roberts überzeugend als einen Psychopathen darzustellen, der wütend auf ihn war, während er gleichzeitig die Rolle des Zehnten Kreuzzugs herunterspielen konnte, den die Polizei von Beginn an im Visier gehabt hatte. Dann hatte er seiner Geschichte zusätzliches Gewicht verliehen, indem er plastische Einzelheiten über Rituale und Religionen lieferte, was in Jane wilde Phantasien auslöste und wahrscheinlich die Ermittlungen in dem Fall durcheinanderbrachte. Ein Meisterstück dann, wie er sich zunächst skeptisch gegeben hatte, als sie die Verbindung zu Becca de Lacy und Yeats einbrachte, sie schließlich aber voll unterstützte. Und zu guter Letzt – das schlimmste von allen Täuschungsmanövern – gewann er ihr Mitleid für seine vergeblich angeschlagenen Gefühle, darauf aufbauend ihre Zuneigung, und dann… Wie hatte sie so leicht darauf hereinfallen können? Ihre Recherchetätigkeit beim Rundfunk hatte ihr eigentlich einen gesunden Zynismus vermittelt, wenn es darum ging, dass wildfremde Menschen ihre Tüchtigkeit in diesem oder jenem beteuerten, vor allem was ihr Wissen, ihre Aufrichtigkeit betraf. Unbedingt genau zuhören. Aber im Zweifelsfall nach Verstand und nicht nach Gefühl urteilen. Und was war passiert? Sie kannte den Mann erst wenige Tage, und schon war er in ihrem Bett. In ihr. Und sie hatte ihn nicht einmal gebeten, ein Kondom zu benutzen. Sie konnte sogar schwanger sein.
    Sie spielte mit dem Henkel der Cappuccinotasse vor ihr, aus der sie kaum getrunken hatte. Sie musste etwas tun. Einen Spaziergang machen. Am besten gleich in den Adige springen.
    »Ich hoffe, ich störe dich nicht, Jane.« Es war Peter Comiskey. »Geht es dir gut? Kann ich dir irgendwie helfen?« Er meinte es ehrlich. Er hatte häufig eine Antenne für die Gefühle von Leuten, wo andere nichts merkten.
    Sie antwortete nicht, weil sie wusste, dass ihr die Stimme versagen würde.
    »Hör zu, du hast hier tolle Arbeit geleistet. Fühl dich nicht genötigt, bis morgen herumzuhängen. Du wirst eine fantastische Party heute Abend verpassen, aber möglicherweise ist dir sowieso nicht danach. Wenn es dir hilft, Klarheit zu gewinnen, dann flieg ruhig heute schon heim. Das würden alle verstehen.«
    »Danke, Peter«, konnte sie flüstern. »Vielleicht mach ich ein bisschen Shopping und treffe euch dann später.«
    »Wie du willst. Kein Problem. Und weil es mir gerade einfällt: Ich war am Freitag ein, zwei Stunden im Büro und hatte so einen Typ am Telefon, der ein Band von einer bestimmten Sendung haben wollte. Genauer gesagt, ging es ihm um deinen Beitrag über Becca de Lacy.«
    Jane nickte. Solche Anfragen waren völlig normal, und die Leute wurden üblicherweise an die Soundbibliothek verwiesen, von der sie gegen Gebühr eine Kassette erhielten.
    »Er hatte einen Tonfall, der mir nicht gefiel, deshalb habe ich ihn ein bisschen ausgefragt. Ich war sehr höflich. ›Und Ihr Name, Sir?‹ ›Edwards‹, sagt er. ›Ich vertrete Becca de Lacy.‹
    ›In einem juristischen Sinn?‹, frage ich. Und da sagt er glatt zu mir: ›Hör zu, Junge, kann ich dieses Band haben oder nicht?‹
    ›Hör zu, Junge‹ – kein Witz. Mit einem amerikanischen Akzent. Nur damit du Bescheid weißt. Ich habe keine Verleumdung in dem Beitrag entdecken können, aber mach dich einfach darauf gefasst, dass der Rundfunkdirektor einen Brief von ihm bekommt. Okay, Spatz?«
    »Ja. Danke noch mal, Peter.«
    Sie wusste seine Sorge und sein Feingefühl zu schätzen. Er konnte natürlich auch zynisch und sarkastisch sein. Aber sie vertraute ihm, sie konnte sich auf ihn verlassen. Jane ging durch den Kopf, dass sie mehr über ihren schwulen Kollegen, über das Auf und Ab seines Lebens und seiner Gefühle, seine triviale und seine ernste Seite wusste als über Liam Lavelle. Und warum hatte sie die offenkundigen Anzeichen nicht beachtet? Ein Priester, der sie in Gespräche über Sadomasochismus und andere abscheuliche Praktiken verwickelte, der nach dem Unterricht mit Schulmädchen verkehrte, der ohne Zögern mit ihr geschlafen hatte. Ein Mann, den die Polizei von zwei Ländern des Mordes verdächtigte! Er widerte sie nun an, ein Fremder mit finsteren Motiven, dem sie sich törichterweise hingegeben hatte. Wie konnte sie das geschehen

Weitere Kostenlose Bücher