Die Keltennadel
Roberts ist gleich Mathers. Ein Mann, der für alles verantwortlich ist.«
»Das würde erklären, warum wir die anderen beiden nicht finden«, warf Taaffe ein.
»Der Haken dabei ist«, entgegnete Jane, »dass der Name Edwards überhaupt nicht passt, wenn Roberts die Alter egos von Yeats als Decknamen benutzt. Wie bei Mathers. Dann hätte er sich Aherne oder Hanrahan oder eine Abwandlung davon aussuchen müssen. Und abgesehen davon glaube ich, dass Roberts selbst in diesem Augenblick noch etwas anderes im Schilde führt. Etwas, das ihn auf jeden Fall von Irland weggeführt hat. Und damit stehen wir vor einem Rätsel, Denn wenn Edwards ebenfalls außer Landes ist, wer soll dann den letzten Mord begehen, um die Prophezeiung zu er füllen?«
»Der ebenfalls in Irland geschehen muss«, bemerkte Dempsey. »Und zwar sehr bald. In den nächsten zwei Tagen, um genau zu sein«, sagte Jane mit Bestimmtheit. »Wieso das?«, Dempsey sah besorgt aus. »Weil die Erfüllung dieser Prophezeiungen auf etwas hin führt. Erinnern Sie sich, was Lavelle sagte – Reinigung als Vorbereitung auf etwas.«
»Und worauf genau führt es hin?«
»Wenn Sie mir inzwischen nicht glauben würden, hätte ich jetzt einen weiteren Beweis für Sie. Und er ist der Grund, warum ich glaube, dass sich Roberts und Edwards zur Zeit woanders aufhalten.«
Sie ging zu einem kleinen Tisch und hob einige Blätter Papier auf.
»Ich habe heute erfahren, dass sich meine Schwester zu Hause gemeldet und versprochen hat, mir eine Art Nachricht zu schicken. Ich überlegte, wie sie das gemeint haben könnte, und vorhin kam mir der Gedanke, auf der Website der Hüter des Siebten Siegels nachzusehen. Die war seit Monaten inaktiv, aber ich erwartete halbwegs, dass sie eine Mitteilung von ihr enthält. Als ich mich einklinkte, entdeckte ich, dass tatsächlich etwas Neues aufgetaucht war, aber es handelte sich um keinen Brief von Hazel.«
Sie gab den beiden je einen Satz Ausdrucke. Auf dem ersten Blatt stand das Wort BYZANZ.
Auf dem zweiten waren das negative Chi-Rho mit den drei umgekehrten Engeln und der Ziffer 7 zu sehen.
Und auf dem dritten stand BETHLEHEM.
69
I n Liam Lavelles Haus läutete das Telefon, und das Geräusch drang in alle Räume, einschließlich des Gästezimmers, wo Charlie Plunkett betrunken in einem Schlaf lag, der einem halben Koma gleichkam. Es hatte in den vergangenen vierundzwanzig Stunden wiederholt geläutet, aber diesmal war der Anrufer geduldig, und schließlich zahlte sich seine Hartnäckigkeit aus. Charlie Plunkett schleppte sich murrend zu dem Telefon, das neben Lavelles Schlafzimmer an der Wand befestigt war. Ein Mann mit amerikanischem Akzent fragte nach dem Priester, und Charlie erklärte ihm gähnend und nuschelnd, der sei im Krankenhaus, aber auf dem Wege der Besserung.
Der Mann schien Charlies benebelten Zustand nicht zu bemerken, oder er verstand ihn falsch, denn er bat ihn, Pfarrer Lavelle auszurichten, dass in dessen Computer eine wichtige Nachricht warte. Es sei dringend, sagte der Mann. Charlie legte auf, und da er merkte, dass er eine volle Blase hatte, stolperte er zur Toilette. Bis er wieder draußen im Flur war, wusste er schon nicht mehr, was ihn geweckt hatte, und er ging zurück ins Bett, wo er einschlief, bevor sein Kopf das Kissen berührte. Lavelle konnte nicht schlafen, aber er hatte es aufgegeben, auf lateinisch von eins bis hundert zu zählen oder die Bücher des Alten Testaments in der richtigen Reihenfolge zu memorieren. Es war ein Jammer, dass die meisten Tricks, zu denen er bei Schlaflosigkeit griff, ihn irgendwie zu Religion führten, denn das war genau das Thema, über das er nicht nachdenken wollte. So vieles war in letzter Zeit geschehen, was seinen Glauben aushöhlte, und keines der Argumente, die ihn stützten, der Prinzipien, die er für sich in Anspruch nahm, half ihm.
Seine Gedanken drehten sich im Kreis.
Er holte im Dämmerlicht des Krankenzimmers Janes Discman aus dem Nachtkästchen, den er von der Polizei wiederbekommen hatte. Die CD darin hatte sie ihm gekauft – ein Sampler namens Geistige Lieder. Ich komme nicht los davon, dachte er resigniert.
Er setzte die Kopfhörer auf und wählte Tomaso Albinonis »Die Seligpreisungen« aus, den Anfang der Bergpredigt aus dem Matthäusevangelium. Auf dem Rücken liegend, übersetzte er sich die lateinisch gesungenen Worte, die jeder Christ kennt:
Selig die im Geist Armen, Denn ihnen gehört das Himmelreich…
So vieles von dem, was Jesus bei
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