Die Keltennadel
mit der Frage, ob sie irgendwann in nächster Zeit abends auf einen Drink ausgehen könnten. Sie hatten sich seit Weihnachten schon zweimal getroffen, und beide Male hatte er erfolglos versucht, das alte Feuer neu zu entfachen. Diesmal würde sie ihm höflich, aber bestimmt einen Korb geben. Die dritte Nachricht stammte von Pfarrer Lavelle, der sie um einen Rückruf bat. Er klang ein bisschen gehetzt.
Dann sah sie ihre E-Mails nach. Eine Reihe interner Rundschreiben. Und eine Nachricht von ihrer Freundin Debbie Young von der Irish Times . Sie lautete: Jährliche Generalversammlung des Clubs der Liebesversehrten, Valentinstag, 14. Februar, 20.00 Uhr in Ricks Café. Nimm dir Zeit!
Sie lächelte über die Nachricht, als Peter Comiskey durch den Raum rief.
»Sag mal, Jane, wohnst du nicht in der Nähe von Kilbride, wo dieser Ritualmord passiert ist? Worum geht es da… wie man ein paar Hintern mehr in die Kirchenbank kriegt?«
»Wie meinst du das?«
»Ich seh’s richtig vor mir, ein Gospelchor heizt den Leuten ein, dann kommt der Priester à la James Brown zum Altar heraus.« Er fuchtelte mit den Armen und begann den Soulsänger nachzumachen: »Brothers and sisters, it’s voodoo time! Der Priester zeigt auf die Leiche und sagt: This is mah body! Und dann legt er los mit: Get up, I feel like being a sex machine! «
»Sehr geschmackvoll, Peter. Zufällig habe ich mit einem der Priester in Kilbride gesprochen. Er scheint in Ordnung zu sein – ein richtiger Gentleman sogar.«
»So reden die lieben kleinen Protestanten aus dem Süden«, meldete sich ein nordirischer Akzent hinter der Trennwand zwischen Janes und Roisins Schreibtisch. »In deiner Jugend hat eben nicht die Geistlichkeit entschieden, was gut für dich ist, oder dir erklärt, dass du einen Penis haben musst, wenn du Priester werden willst.«
»Verschone uns, Roisin«, warf Sheila McKenna ein. »Ich gehe ins Studio hinunter und rede mit Tara. Führst du bitte die Gäste der Sendung in ein paar Minuten nach unten? Sie sind in der Caféteria.«
Jane ging daran, die Post auf ihrem Schreibtisch zu öffnen. Zwei Bücher, die Autoren standen für Interviews zur Verfügung. Einladungen zu Eröffnungen, Präsentationen, darunter die von Becca de Lacy, die im Museum of Modern Art in Kilmainham stattfinden sollte. Als Roisin die Gäste der Sendung abholen ging, nutzte Jane die Gelegenheit, Pfarrer Lavelle anzurufen.
Er war sofort am Telefon. »Guten Tag, Jane, hören Sie, es tut mir leid, aber hier hat die Polizei alles auf den Kopf gestellt, sie sind auf der Suche nach verschiedenen Dingen… Ich komme mir fast wie ein Verdächtiger vor, aber wir werden alle überprüft, es ist also nicht so schlimm, wie es sich anhört. Könnten wir unsere Verabredung auf morgen verschieben, ein bisschen früher, so gegen drei?«
Sie sagte, das sei in Ordnung. Es bedeutete, sie konnte heute ein gutes Stück mit einer geplanten Sondersendung über Verona vorankommen, das in diesem Jahr den Titel »Kulturhauptstadt Europas« führte. Jane war begeistert von dem Projekt, für das sie in einigen Wochen in die italienische Stadt reisen würde. Sobald sie ihre übrigen Anrufe erledigt hatte, wollte sie sich an die Arbeit machen.
11
V om rückwärtigen Teil der Kirche aus sah Jane das blau-weiße Absperrband der Polizei rund um den Altar. Sie setzte sich in eine Bank und musterte ihre Umgebung. Neugotik. Grau-rosa Marmorsäulen, dunkle Holzbalken, die sich im hohen Dach über das Mittelschiff wölbten, Glasmalereien mit Heiligen und Bibelszenen und an den Wänden der Seitengänge die Stationen des Kreuzwegs, bemalte Relieffiguren in kunstvoll vergoldeten Rahmen. Die Vorstellung, dass die Leiche einer jungen Frau vor kurzem nackt unter den stummen Blicken dieser Plastiken gelegen hatte, schürte in Jane Gedanken über die Sinnlosigkeit des Lebens.
Sie hatte beim Haus des Priesters vorbeigeschaut, einem roten, zweistöckigen Ziegelbau hinter einer Mauer, die bündig mit den anderen Häusern und Läden auf einer Seite von Kilbrides Hauptstraße verlief. Das einst ländliche Dorf war inzwischen von modernen Wohnsiedlungen eingesäumt. Nachdem auf ihr Läuten niemand geöffnet hatte, war sie beinahe schon wieder am Tor gewesen, als oben ein Fenster aufging. Ein Mann mit rötlichem Gesicht und grauem Stoppelbart lehnte sich heraus und rief mit heiserer Stimme: »Er ist drüben in der Kapelle, Miss…«
Wie er mit den gelben Zahnstummeln im offenen Mund den Kopf unter der Dachtraufe
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