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Die Keltennadel

Die Keltennadel

Titel: Die Keltennadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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auslösten, hatte ihn bereits eingeholt.
    Er trat von der Vitrine zurück und versuchte, mit fest geschlossenen Augen und geballten Fäusten die Bilder aus seinem Kopf zu vertreiben. Es half nichts. Er sah die Panik in ihrem Gesicht, sah sie nach ihm greifen, während die Luft in ihren Lungen zu Kohlendioxid wurde und sie zum Atmen zwang. Ihr vor Schmerz und Angst verzerrtes Gesicht. Die verzweifelt ausgestreckten Hände, ihre nachlassende Kraft. Dann strömten die Luftblasen aus Mund und Nase in einer silbernen Prozession nach oben zum Licht, und mit ihnen entwich das Leben aus ihr.

21
    S ie hatte dem Bischof Tee und Toast auf das Zimmer gebracht, das ihm die Nonnen gegeben hatten… er lag im Bett und bat sie, sich zu ihm zu setzen, und wie sie denn heiße, und dann erzählte er ihr ein paar Witze… dann fuhr er mit der Hand in ihre Bluse und sagte, er sei schließlich auch nur ein Mann, und er werde bei Mutter Celestine ein gutes Wort für sie einlegen, manche Mädchen seien eben extra für Priester und Bischöfe auf der Welt, ob sie das denn nicht wisse… sonst würden sie alle den Verstand verlieren… dann schlug er die Bettdecke zurück und forderte sie auf, sein Ding in den Mund zu nehmen, das in die Höhe stand, aber dann zog er ihr den Slip aus und sagte, sie müsse ihn bis zum Ende gehen lassen oder er werde Mutter Celestine erzählen, sie sei eine Prostituierte… was hätte sie denn tun sollen… sie würden sie ohnehin wieder schlagen… selbst als sie schwanger war, wurde sie geschlagen… oder war das wieder eine Lüge… manchmal wusste sie es nicht genau… nachdem sie ihn bekommen hatte, wurde sie in einem abgeschlossenen Teil des Krankenhauses untergebracht… keine Besucher, keine Blumen, keine Karten… keine Glückwünsche… aber nun hatte er sie wieder besucht, und das machte sie glücklich… außer, dass er sie wieder gebeten hatte, es niemandem zu sagen… das war keine Lüge, sagte er… aber sie war doch stolz darauf, dass er Priester war… diese eingebildeten Weiber hinten im Flur sollten es ruhig wissen…
    aber sein Gesicht verdüsterte sich wie immer, und er sagte, nein, ich war gar nicht hier… ich war nie hier…

22
    J ane sagte etwas, stellte eine Frage. Lavelle öffnete die Augen und wandte sich von den Briefbeschwerern ab.
    »Verzeihung, was…«, krächzte er. Er räusperte sich. »Was haben Sie gesagt?«
    »Ob Sie Ihren Kaffee mit Zucker trinken. Sind Sie taub?«, zwitscherte sie aus der Küche.
    »Ein Stück bitte. Wenn es löslicher ist.«
    Die Bilder verblassten. Er merkte, dass er die Fingernägel in die Handflächen gebohrt hatte, und öffnete die geballten Fäuste.
    »Sie sind hier in einem Nobelrestaurant«, sagte Jane. »Ich bringe Ihnen eine Zuckerschale, das ist höflicher, auch wenn Sie tatsächlich nur löslichen Kaffee bekommen.«
    Er lächelte. Ihr erfrischender Humor vertrieb die letzten Reste einer unerfreulichen Erinnerung.
    Er näherte sich den Bücherregalen. Sein Blick fiel auf eine Fotografie auf dem Kaminsims. Auf dem Bild waren drei lächelnde Teenager zu sehen: Jane, ein junger Mann und ein Mädchen, bei dem es sich nur um Hazel handeln konnte. Sie war schlanker als Jane, ihre Haare und Augen im Vergleich zu ihrer Schwester von unbestimmbarer Farbe, und ihr Lächeln war nicht so strahlend. Ihr Gesichtsausdruck verriet innere Unruhe. Aber die beiden waren unverkennbar Schwestern und der Junge war offensichtlich mit ihnen verwandt. Hatte Jane je einen Bruder erwähnt? Lavelle erinnerte sich nicht.
    Für ihn waren das protestantische Gesichter. Aber weshalb? Lag es an den Augen? Den Zähnen? Oder verwechselte er »protestantisch« mit »anglo-irisch«, was ja nicht dasselbe war?
    Aber die Wades hatten diesen Blick.
    Er merkte sich in Gedanken vor, nach dem Jungen auf dem Foto zu fragen, und ging weiter zu den Bücherregalen. Eine große Auswahl an Romanen, klassische wie zeitgenössische. Geschichte, Lyrik, Frauenthemen. Psychologie – nein, eigentlich eher Psychiatrie. Er fragte sich, wieso. Dabei fiel ihm etwas ein.
    »Ach, übrigens«, rief er zu Jane in die Küche, »der Kerl, der Sie in der Kirche erschreckt hat… und dem Sie vorher schon im Bus begegnet sind… das war Charlie Plunketts Sohn Pete. Ich hab Ihnen ja erzählt, wie er Charlie behandelt. Er gerät in Kneipenschlägereien und weiß der Himmel, was noch. Ich glaube, er ist schizophren. Er ist einer von diesen Fällen, mit denen niemand etwas zu tun haben will, bis sie ernsthaft

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