Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Keltennadel

Die Keltennadel

Titel: Die Keltennadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
Vom Netzwerk:
zuckte. Das kam unerwartet. »Sie ist für jemanden bestimmt, der sich nicht zum Märtyrer eignet. Der aber sterben muss.«
    Einer der Männer, die im Dunkeln saßen, stand auf und kam an den Tisch. Es war der ganze Mann. Er legte etwas vor den Fragesteller und zog sich wieder zurück. Sie wagte nicht, hinzusehen.
    »Das ist deine letzte Prüfung«, sagte der Mann vor ihr. Sie wappnete sich.
    »Wir wollen, dass du etwas überbringst.«
    Sie entspannte sich ein wenig und blickte auf den Tisch. Es war ein Brief. Der Umschlag war ein mattes Dunkelblau mit leuchtender Goldschrift darauf.
    Eine Stimme aus der Dunkelheit sagte: »Was du auch tust, mach ihn nicht auf, und schick ihn nicht mit der Post.« Der Akzent war irisch. Nordirisch.
    Der Fragesteller schob ihr den Brief zu. Er lag mit der Vorderseite nach unten.
    Als sie ihn aufhob, fühlte er sich steif an und war in der Mitte gebaucht. Sie betrachtete die Schrift auf der Rückseite. Zwischen Zeilen, die wie ein Gedicht aussahen, standen in mädchenhafter Schrift die Worte: VEILCHEN SIND BLAU.
    »Ich hasse Verräter«, sagte der Nordire. »Verräter und Informanten. Sie sind der Abschaum der Erde.«
    Während sie das Kuvert umdrehte, um die Adresse zu lesen, lächelte sie freudlos über seine Bemerkung. Er mochte einer neuen Sache dienen, aber seine alten Vorurteile waren immer noch intakt.

II   Das Beinhaus

24
    A ls der Kellner mit einer zweiten Flasche Wein kam, wollte Jane gerade sagen, er müsse sich im Tisch geirrt haben, aber dann wurde ihr klar, dass ihre Mutter die Bestellung wahrscheinlich mit einem Handzeichen arrangiert hatte, als sie nicht hinsah. Typisch.
    »Mummy… ich glaube nicht –«
    »Jane, Liebes, heute machen wir einen drauf. Nur die Ruhe. Entspann dich.«
    Was sie meinte, war, dass Elizabeth Wade (nicht Liz, auf gar keinen Fall Lizzy) einen draufmachte. Jane wusste, ihre Mutter würde den größten Teil der Flasche leeren, und dabei würde ihre Stimme immer höher und schriller werden, was Leute wie sie an Orten voller Menschen offenbar für angemessen hielten. Die beiden saßen im Bistro Zrazy, einem beliebten Treffpunkt zur Mittagszeit in Ballsbridge, keine zehn Minuten vom Rundfunkzentrum entfernt. Die Tische standen dicht gedrängt und waren hauptsächlich von leitenden Angestellten besetzt, die Geschäfte abschlossen, oder von Frauen mittleren Alters, die beim Essen den neuesten Klatsch austauschten.
    »Also, Liebes, was ist nun mit Hazel? Hast du von ihr gehört?« Sie hatten gerade den Hauptgang beendet, Lachs für Jane, Kalbfleisch für Elizabeth, die sich nun eine Zigarette anzündete. Jane überlegte, ob sie etwa in einem Nichtraucherbereich des Restaurants saßen. Sie hatte bei der Tischbestellung vergessen, danach zu fragen.
    »Nein, ich habe nichts von ihr gehört, aber ich habe mehr über die Sekte erfahren, mit der sie sich eingelassen hat, und es gefällt mir nicht.«
    »Sie war immer ein sehr leicht zu beeinflussendes Kind«, sagte Elizabeth. »Ein Verstand wie nasser Zement. Aber in was sie da auch hineingeraten sein mag, es ist bestimmt ganz harmlos.«
    »Da wäre ich mir nicht so sicher«, warnte Jane. »Bei vielen dieser Sekten steht Selbstmord auf dem Programm. Manche haben zu Beginn des Jahrtausends Schlagzeilen gemacht, aber das war nur der Anfang, wie es aussieht. Und wenn man unsere Familiengeschichte bedenkt…«
    »Ach, sieh doch nicht immer so schwarz, Kind. Scott war schizophren, der Arme. Da konnte man nichts machen. Hazel ist nur willensschwach. Sag ihr, wo es lang geht, gib ihr Befehle, dann ist sie glücklich.«
    Das Zigarettenende ihrer Mutter war zu einem gefährlich herabhängenden Schlauch aus Asche geworden. Jane sah sich verzweifelt nach einem Aschenbecher um und fing den Blick des Kellners gerade noch rechtzeitig auf. Er stellte einen vor Elizabeth, die geistesabwesend ihre Asche hineinschnippte. Ein Teil fiel auf ihre Brust, ihren »Kontinentalsockel«, wie sie gern sagte.
    Elizabeth Wade war das Muster einer Rubensfrau. Sie weigerte sich, auch nur über Abnehmen nachzudenken, und behauptete, ihr Partner Nicky habe gern »ein bisschen was in der Hand«. Und nun kam der Kellner wieder und fragte, ob sie ein Dessert wünschten. Jane bestellte einen Kaffee, während ihre Mutter um ein Mokkaeis bat, außerdem ein wenig Käse und Cracker.
    »Warum glaubst du, dass diese Leute, bei denen Hazel ist, auf Selbstmord aus sind?«, fragte Elizabeth. »Auf Hungern schon eher, die Ärmste hatte nichts auf den

Weitere Kostenlose Bücher