Die Keltennadel
Becca, das Album. Jetzt geht es um Becca, das Video. Passen Sie gut auf.«
Sie machte das Fernsehgerät an und schaltete auf den Videokanal. »Den Ton brauchen wir nicht. Schauen Sie nur ganz genau hin.«
Wie die meisten Videos wirkte es ohne Musik wie eine Reihe unzusammenhängender Bilder und Szenen. Erst die Musik schafft den Zusammenhang. Als es zu Ende war, sagte Jane:
»Es verlangt nicht viel Interpretation. Verbindungen zwischen Irland im Goldenen Zeitalter und Byzanz. Das Book of Keils und griechische Ikonen. Vielleicht enthält es auch einen Kommentar dazu, dass der Islam eine der ältesten Kathedralen der Christenheit in eine Moschee verwandelt hat. So vieldeutig, dass sich niemand beleidigt fühlt, schließlich tritt sie in Istanbul auf. Viel mehr ist nicht drin, oder?«
»Ich sehe jedenfalls nichts.«
»Gut, dann wollen wir einmal genauer hinschauen. Und wussten Sie übrigens, dass die Mönche, die das Book of Keils schufen, Lapislazuli zur Herstellung eines blauen Pigments verwendeten? Es musste aus Afghanistan nach Irland importiert werden. Zu einer Zeit, da sich der Islam in diesem Teil der Welt ausbreitete. Ich wollte das nur erwähnen. Und noch etwas über Lapis-«
»Jane, bitte – das Video.« Er hatte ihr von dem blauen Stein in der Gewandnadel erzählt. Aber er fand, sie war im Moment ein bisschen zu sprunghaft.
»Okay, das Ganze noch mal.« Jane ließ das Band schnell vorlaufen, bis sie zu einer der ganzseitigen Illustrationen aus der Handschrift kam. »Das hier – es sieht wie ein großes, verziertes X aus, das über die Seite tanzt. Was bedeutet es?«, fragte sie.
Lavelle war bequem auf der Couch gelümmelt. Jetzt setzte er sich gerade.
»Man nennt es das Chi-Rho. Sie sehen dort noch zwei andere stilisierte Buchstaben, das P und das I. XPI ist das griechische Monogramm für Christus. Es ist das erste Wort des Matthäusevangeliums. Die Seite, die wir hier sehen, ist wahrscheinlich die schönste im ganzen Buch.«
»Und das I ist das, was wie ein L mit dem kurzen Fortsatz in die falsche Richtung aussieht?«, fragte sie.
»Ja, und an der Seite erkennen Sie drei Engel.«
»Jetzt sehen Sie sich das an«, sagte Jane.
Sie ließ das Video bis zu einer Stelle des Liedes laufen, an der eine rasche Montage von Bildern erschien, darunter ein kurzes Aufblitzen der Seite mit dem Chi-Rho in Weiß auf Schwarz.
»Das passiert mehrmals«, sagte sie. »Nun gehen wir zurück und untersuchen es genau.«
Das Videogerät erlaubte ihr, jedes Bild einfrieren und einzeln betrachten zu können. Sie hielt bei der einfarbigen Version der Seite. Es war das Chi-Rho, aber es stand auf dem Kopf. Und nicht nur das, es war auch noch negativ. Das X sah immer noch wie ein X aus.
»Was sehen Sie jetzt?«, fragte sie.
»Das X auf dem Kopf… das Innere nach außen… denken Sie an Blasphemie?« Er dachte selbst an den Zehnten Kreuzzug. Und an noch etwas anderes, aber die Erinnerung war zu verschwommen, es fiel ihm nicht ein.
»Nein, ich schaue auf das L«, sagte Jane. »Aus dem ist eine Sieben geworden.«
»Und?«
»Die sieben Zeichen des Jüngsten Gerichts – erinnern Sie sich an die Website der Hüter? Vielleicht geht es gar nicht um die sieben Zeichen. Denken Sie sich ein Komma nach der Zahl, dann könnte es heißen: Die Sieben, Zeichen des Jüngsten Gerichts. Überlegen Sie doch mal, welch große Rolle die Sieben bei allem spielt, was Sie mir erzählt haben. Sieben Siegel. Sieben Jahre der Drangsal. Und die anderen Zeichen könnten demnach alles sein, was auf dieser Seite hervorgehoben ist. X für Christus, nicht nur auf den Kopf gestellt, sondern negativ – vermutlich der Antichrist –, und drei Engel, die in dieser Gestalt ihre negativen Gegenteile sind – Teufel oder Dämonen. Das alles sind vorbereitete Zeichen, nach denen die Sektenmitglieder Ausschau halten sollen.«
»Jetzt mal langsam, jetzt mal ganz langsam. Sind Sie übergeschnappt? Vor einer Woche haben Sie Becca de Lacy und das Gedicht von Yeats mit dem Mord in Verbindung gebracht. Jetzt soll Becca auch noch mit der Sekte vom Siebten Siegel zu tun haben. Ich glaub’s einfach nicht.«
»Ich weiß, es ist ein bisschen viel auf einmal, aber ich habe so ein Gefühl in der Magengegend. Irgendwas an diesem ganzen Projekt von Becca de Lacy ist komisch.«
»Du lieber Himmel, Jane, Sie machen mir eine Heidenangst. Und ich weiß nicht genau, ob das mehr an Ihrer merkwürdigen Besessenheit von der ganzen Sache liegt oder an der Möglichkeit, dass
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