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Die Keltennadel

Die Keltennadel

Titel: Die Keltennadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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sah auf die Uhr, bevor sie aufstand und beiden Wein nachschenkte. »Krapfen.«

35
    D ie Nonnen gaben ihr Arbeit als Putzfrau im Krankenhaus, und sie mietete eine Wohnung in Blackrock, nur ein Stück vom Meer entfernt, an der Buslinie… kein Bad, nur die Toilette im Hinterhof, aber sie hielt die Wohnung sauber und ordentlich, und manchmal musste sie ihn den ganzen Vormittag allein lassen, aber er brüllte nicht wie andere Babys, denn sie hatte ihm beigebracht, sich zu benehmen… dann ging er zur Schule… er ist ein heller Junge, hieß es, aber niemand wusste, wie viel Mühe sie sich gab, damit er auf dem rechten Weg blieb… keine Mädchen, das war das Wichtigste… sie hielt ihn fern von ihnen und ihren kleinen Fotzen… dreckige Sündenlöcher, mit denen sie die jungen Männer in die Falle locken, damit sie den Rest ihres Lebens für sie sorgen müssen… gut, manchmal trank sie einen über den Durst, und dann nahm sie ihn gern mit ins Bett und schlief ein, und wenn sie aufwachte, stand er oft vor ihr und sah sie an, aber er sagte nichts… nie hob er die Stimme oder kritisierte sie… er war so gut… manchmal nahm sie ihn mit ins Krankenhaus… und eines Tages, als er vielleicht dreizehn war, putzte sie im Leichenschauhaus, und da erwischte sie ihn, wie er das Laken von einer armen toten Frau gezogen hatte, und er machte etwas ganz Scheußliches mit sich selbst… sie musste es nachher vom Boden aufwischen… sie sagte, er müsse Buße tun und dass er mit einer Nadel hineinstechen soll, wenn er merkte, dass er groß wurde, dann wäre Schluss damit… und nach dieser Sache musste sie auf dem Foto, das sie am Meer von ihm gemacht hatte, den Zwickel seiner Badehose ausschneiden… es kam ihr nicht richtig vor, dass diese schreckliche Ausbuchtung auf dem Kaminsims zur Schau gestellt wurde… nicht, dass es jemand gesehen hätte, sie hatten nie Besuch, aber man konnte nie wissen, man musste vorsichtig sein…

36
    N ach dem Frühstück in Janes Küche räumte Lavelle das Geschirr ab, während Jane im Wohnzimmer den Videorecorder vorbereitete. Die beiden hatten bis spät in die Nacht geredet, und er hatte in ihrem Gästezimmer geschlafen. Wie geplant, war er zur Messe nach Kilbride gefahren.
    Als Paddy Quinn die Asche segnete, kam Lavelle zu Bewusstsein, dass die Zeremonie dem Segnen der Kerzen zu Lichtmess ähnelte. Dieser Gedanke nagte die ganze Zeit an ihm, während er mit dem Daumen das Kreuzzeichen auf die Stirn der Gläubigen machte, um sie daran zu erinnern, dass sie nur Staub waren und unausweichlich zu diesem Zustand zurückkehren würden. Schließlich aber tat er die Ähnlichkeit der beiden rituellen Handlungen als bloßen Zufall ab, und nun versuchte er, sich als Gedächtnisübung die Worte des Priesters beim Verteilen der Asche in der alten Lateinischen Messe in Erinnerung zu rufen.
    In diesem Moment rief Jane nach ihm. »Es kann losgehen, kommen Sie.«
    Memento homo quia pulvis es et in pulverem reverteris. Das war es.
    »Bitte nehmen Sie Platz«, sagte sie, als er ins Wohnzimmer kam.
    Als er saß, fragte sie: »Wollen Sie diesen Aschenfleck auf Ihrer Stirn eigentlich den ganzen Tag dort lassen?«
    »Solange er hält. Ich finde, wir sollten hin und wieder daran denken, dass wir sterblich sind. Ich habe mehr mit diesem Raymond O’Loughlin gemein, als Sie glauben.« Er grinste.
    »Raymond O’Loughlin? Ich verstehe nicht…«
    »Ich habe Ihr Interview mit ihm in Artspeak gehört. Am ersten Tag, an dem wir uns sprachen.«
    »Ja, richtig, ich vergaß, dass Sie ein Hörer sind.«
    »Er steht in der Tradition der Memento-mori-Kunst, würde ich sagen.«
    »Sie meinen diese Skulpturen von Skeletten, in denen Würmer herumkriechen? Pest, Totentanz, die Apokalyptischen Reiter…?«
    »Genau. Und Flagellantengruppen, die durchs Land ziehen und das Ende der Welt verkünden – unsichere Zeiten.«
    »Flagellanten? Aber wozu sich noch in Selbstbestrafung ergehen, wenn das Jüngste Gericht vor der Tür steht?«
    »Erlösung durch Schmerz – nur wer sich selbst blutig schlägt, wird erlöst. Solche Anschauungen hatten viele Asketen im Mittelalter. Die Flagellantenbewegung ging noch einen Schritt weiter und behauptete, es sei notwendig, dass alle es tun.«
    »Da scheint mir ein Aschenfleck ja eine vergleichsweise fröhliche Angelegenheit zu sein«, sagte Jane.
    Er lächelte und versuchte ein wenig Begeisterung in seine Stimme zu legen: »Nun zu Becca de Lacy. Mal sehen, was Sie entdeckt haben.«
    »Okay. Wir hatten

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