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Die Keltennadel

Die Keltennadel

Titel: Die Keltennadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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erzählen?«
    »Noch nicht. Wir brauchen mehr Beweise. Er würde uns nur auslachen. Und wenn nicht er, dann Taaffe.«
    »Ich treffe mich mit Jeremy Swann. Er ist ein Cousin meiner Mutter und ein großer Yeats-Kenner. Vielleicht kann er mir einen Ansatzpunkt für die Lyrik liefern.«
    »Wann treffen Sie ihn?«
    »Irgendwann nächste Woche.«
    »Versuchen Sie, es vorzuverlegen. Ich habe ein ausgesprochen schlechtes Gefühl bei dieser Sache.«

38
    R aymond O’Loughlin hielt in der Bar des Clarence Hotel am Liffey-Ufer Hof. Seine Freundin Kara McVey kümmerte sich um die Galerie, die sich zehn Gehminuten entfernt am anderen Ende der Kais, gleich über der Church Street Bridge, befand.
    Sie hatten sich für kurz nach sechs, wenn Kara die Galerie zumachte, im Hotel verabredet. Es war Aschermittwoch, und nach ein paar Drinks wollten sie in ihre Wohnung in Temple Bar fahren und eine Party für einige Freunde geben. Der Anstoß dazu kam von einer Sitte, die sich in Dublins Literaten und Künstlerkreisen eingebürgert hatte, nämlich am Karfreitag eine feuchtfröhliche Dinnerparty zu feiern – ein weltlicher Protest gegen die Schließung aller Pubs an diesem Tag. O’Loughlin nannte seine Veranstaltung »Haschermittwoch«, und die Idee war, dass sich alle bekifften und dann den Exorzist auf Video anschauten, teils zum Spaß und teils deswegen, weil manche Szenen unter Rauschgifteinwirkung noch krasser waren. Das würde Raymonds berüchtigten Ruf aufpolieren, und er hatte noch ein paar Extravergnügen auf Lager, damit seine Gäste ihn in guter Erinnerung behielten.
    Zu O’Loughlins Clique gehörten im Moment unter anderem Thea Power, Kunstkritikerin der Sunday Times , und James Driscoll, Herausgeber des Dublife , eines Veranstaltungsführers für die Stadt. O’Loughlin hatte sie zu einem kleinen Spiel überredet, das er gern spielte und bei dem es darum ging, charakteristische Momente der jüngsten Geschichte festzumachen. Irgendwer durfte ein Thema vorgeben, und die andern mussten ein bestimmtes Ereignis nennen, das für Niedergang oder Entwicklung seither stand. O’Loughlin hatte sie aufgefordert, das Ereignis zu benennen, das die Befreiung ihrer Generation von den Fesseln der katholischen Kirche markierte. Driscolls Vorschlag war »der Tag, an dem wir das Foto eines katholischen Priesters auf der Titelseite einer Zeitung sahen, und darunter die Worte: Das Gesicht des Bösen «.
    Er bezog sich auf einen Geistlichen, der des pädophilen Missbrauchs zahlloser Schulkinder schuldig gesprochen wurde.
    »Der Tag, an dem Papst Johannes Paul II. auf irischem Boden landete und ganz Irland zu seiner Begrüßung kam«, sagte Thea Power.
    Das verwirrte alle, bis Thea erklärte, ihrer Ansicht nach sei das der letzte Jubeltag der Kirche gewesen, denn ironischerweise begann nach diesem Tag im Jahr 1979 ihr Niedergang. Dann mischte sich O’Loughlin mit einem seiner Lieblingsbonmots ein, das er durch Gebrauch immer mehr verfeinert hatte.
    »Der Tag, an dem bekanntgegeben wurde, dass Sinead O’Connor die Rolle der Jungfrau Maria in Neil Jordans Film The Butcher Boy spielt.«
    Das weckte stets Interesse und gab ihm die Gelegenheit zu erklären, wie facettenreich sein Beispiel war. Mit einigen Pints hinter der Binde trug er nun dick auf.
    »An diesem Tag wussten wir, dass sich alles endgültig geändert hatte. Erstens gab es einen irischen Regisseur, der mehrere Hollywoodfilme hinter sich hatte – zehn Jahre zuvor noch undenkbar. Zweitens einen äußerst erfolgreichen weiblichen Popstar aus Irland – wow! Die ein Bild des Papstes auf der Bühne zerrissen hatte und weltweit Schlagzeilen machte. Was?? Und dann darf sie eine kettenrauchende Jungfrau Maria in einem Film spielen, der das Leben in einer irischen Kleinstadt beschreibt. Das gibt’s doch gar nicht!«
    Alle verstanden die Botschaft und waren angemessen beeindruckt. »Sehr gut, Raymond. Sehr gut.«
    Er rutschte von seinem Hocker und ging zur Toilette. Von dort rief er Kara über sein Handy an. Es war genau sechs Uhr.
    »Los, sperr ab und komm rüber.«
    »Es ist nur noch ein Besucher in der Galerie, Raymond. Ich warte noch, bis er geht, und bin dann gleich bei euch. Betrink dich nicht.«
    O’Loughlin ging mit einem Lächeln im Gesicht zurück. Er wollte Power und Driscoll etwas erzählen, das ihm noch mehr Publicity einbringen könnte.
    »Hey…« Er ließ sich schwer auf seinen Hocker sinken und unterbrach ihr Gespräch.
    »Wisst ihr, was in keinem Bericht über meine

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