Die keltische Schwester
Aber … Teresa, ich hatte angefangen zu hoffen …«
»Ja, Liebste. Ich weiß. Warum hoffst du nicht weiter?«
»Nach der Urteilsverkündung?«
»Na ja, du warst auch nicht schlecht. Ihr seid euch ziemlich ebenbürtig. Komm, trink noch einen Schluck Wein und geh dann zu Bett.«
Ich schüttelte den Kopf. »Keinen Wein, sonst kann ich morgen nicht aus den Augen sehen. Ich gehe gleich zu Bett.«
Nur Kummer war geblieben, als ich in meinem Zimmer ankam. Es war unter dem Dach noch drückender, und ich machte das Fenster auf, um wenigstens einen Hauch kühlerer Nachtluft hineinzulassen. Unten auf der Wiese sah ich Robert im Dunkel der Hecke sitzen, sein helles Hemd hob sich von dem Schwarz des Geästes ab. Teresa, in wehendem Rock, ging zu ihm und setzte sich neben ihn. Teresa, Trösterin der armen Seelen. Sie redete leise auf ihn ein, und er hörte regungslos zu. Dann, als sie still war, legte er sein Gesicht in dieHände und erzählte ihr offensichtlich etwas, das ihm sehr schwerfiel.
»Mein Gott!«, hörte ich Teresa sagen, als er geendet hatte. »Und warum sagst du ihr das nicht?«
»Weil ich ihr nicht noch mehr wehtun möchte, Teresa.«
»Das wird sie vertragen. Du unterschätzt sie.«
Er sah sie an, ich konnte sein Gesicht nicht sehen. Dann stand er auf und ging ins Haus. Teresa blieb noch lange stehen und blickte in die Dunkelheit.
Ich war vollends verwirrt. Was gab es noch? Was stand zwischen Robert und mir, das er mir nicht sagen konnte? Warum dieser Ausbruch vorhin, und jetzt die Angst, mir wehzutun? Noch mehr Schmerz konnte er mir doch gar nicht mehr antun. Er musste doch gemerkt haben, was er mir noch immer bedeutete.
Man konnte kaum atmen in dem Zimmer, draußen war es so still, nicht einmal die Zikaden zirpten ihr nächtliches Konzert. Auf dem Stuhl lag das weiße Kleid, das Teresa und Beni für mich gefertigt hatten. Ich zog mich aus und warf mir das kühle Leinen über. Ein breites goldbesticktes Band sollte den Gürtel bilden. Im Spiegel sah mir eine fremde Lindis entgegen. Unvertraut, aber nicht unangenehm fern.
Mich drängte es plötzlich, hinunter zum Meer zu gehen und den Wellen zu lauschen. Eine dünne rote Decke lag auf meinem Bett, ich faltete sie zusammen. Dann schlich ich mich aus dem Haus, ein einsamer weißer Geist mit Trauer im Herzen.
Knoten 1., 2. und 5. Faden
Es war Flut, der Streifen Sand war schmal geworden. Kleine, müde Wellen liefen den Strand hoch, das Meer schien bleiern unter dem Sternenhimmel. Das harte Strandgras raschelte, als ich meine Decke ausbreitete, dann war es wieder ruhig. Ich beobachtete die Mondsichel, die sich am Horizont langsam dem Wasser zuneigte. Ein junger Mond, eine silberne Schale, die kaum einen Streifen auf dem glatten Meer erzeugte. Die Erde schwieg, das Universum schwieg. Ich war alleine, ich suchte in der Leere in mir nach einem Halt und fand nichts.
Leise Schritte näherten sich. Ich spürte ihn, bevor ich ihn sah, und verkrampfte mich, fluchtbereit. Robert, nur ein weißes Tuch um die Hüften, hatte wie ich die Enge des Hauses nicht mehr ertragen. Auch er musste mich bemerkt haben, denn er blieb kurz stehen und ging nicht weiter zum Wasser hinunter, sondern kam auf mich zu. Ich stand auf.
»Lindis! Bleib! Bitte!«
Ich hätte sowieso nicht fortlaufen können.
»Was ist noch zu sagen, Robert?«
Er stand direkt vor mir, ich musste zu ihm aufsehen. Sein Körper war schlank und zäh, dunkel von der Sonne gebrannt, und strahlte Wärme aus.
»Nichts«, antwortete er mir und hob seine Hand, um die Fibel an meiner Schulter zu lösen. Ich rührte mich nicht, doch mein Blick wurde plötzlich seltsam verändert. War das noch Robert? Blond, bärtig? Eine goldene Schlange schimmerte matt um seinen Oberarm.
Elcmar?
»Danu!«, flüsterte die Luft um mich.
»Lindis!«, flüsterte Robert, und das Gewand glitt bis zum Gürtel hinunter. Warm und zärtlich strichen seine Hände über meine bloße Haut. Seine Wunden waren verheilt, nur einedünne Narbe war geblieben, wo mein Schwert ihn im Kampf getroffen hatte. Ich fuhr mit dem Finger über die weiße Linie. Er zog mich an sich, und ich fühlte die harten Muskeln seiner Brust, seinen flachen Bauch, strich über die Arme, dem blauen Muster der Schlange nach. Elcmar?
»Warum bist du mir gefolgt?«
»Ich wollte dich sehen, Danu.«
»Ich will alleine sein. Morgen muss ich das Opfer vollziehen. Es ist unsere letzte Hoffnung, Elcmar.«
»Ja, ich weiß.«
Ich zitterte, als er mich festhielt. »Elcmar, ich
Weitere Kostenlose Bücher