Die keltische Schwester
weiß nicht, ob es wichtig für Sie ist, aber Karola wird mitkommen.«
»Was will die denn hier?«
»Sie hat Dr. Koenig so lange damit in den Ohren gelegen, dass er eingewilligt hat. Angeblich ist sie die Einzige, die mit dem Programm umgehen kann, wenn Sie das nicht mehr machen.«
»Nachtigall, ich hör dir trapsen.«
»Aber in Schuhgröße sechsundfünfzig!«
»Gut, ich bin gewappnet. Das ist ja ein heiterer Urlaub hier.«
»Ja, denke ich auch. Na, viel Spaß dann!«
Den erwartete ich auch. Aber es wurde viel spaßiger, als ich mir selbst in den ausgefallendsten Szenarien hätte ausmalen können.
Zunächst einmal hatte Robert seine offensichtlich hervorragenden Beziehungen spielen lassen, denn schon in der Montagsausgabe der Lokalausgabe des
»Ouest France«
wurde von einem sensationellen Fund berichtet, den angesehene Wissenschaftler als Hinweis auf eine historisch überaus wichtige Fundstätte keltischer Quellen deuteten. Ein Bild der Statuette war schon dabei. Sagenhaft! Wulf, sofern er es gelesen hatte, würde schäumen.
Darum zuckte ich zusammen, als kurz nach Susis Anruf ein Auto vor der Tür hielt. Ich war ganz alleine, Teresa und Beni waren am Strand, Robert noch unterwegs und Marie-Claire schon gegangen.
Aber es war nicht Wulf, es war Léon Callot. Er begrüßte mich überaus freundlich.
»Robert ist leider noch nicht zurück, Léon.«
»Ihn wollte ich auch nicht sprechen. Sie, Lindis, sind ja wohldie Verursacherin dieses erschütternden Ereignisses, oder täusche ich mich?«
»Nun ja, mein Hobby.«
»Eben. Ich habe das Waldstück bereits abriegeln lassen, damit kein Unbefugter auf eigene Faust archäologische Forschungen dort betreibt. Gibt es sonst noch Bereiche, die zu schützen wären?«
»Da ist dieses Artischockenfeld an der Straße.«
»Sehr interessant. Ich lasse ein Auge darauf halten. Aber ich muss fort. Kann ich irgendetwas für Sie tun?«
»Dr. Koenig kommt am Mittwoch früh.«
»Er ist willkommen. Soll ich etwas vorbereiten?«
»Nein, nur bedächtig sein.« Ich lächelte.
»Ja, man soll nichts überstürzen, da haben Sie recht.
Au revoir, chère
Lindis!«
8. Faden, 7. Knoten
Die Maus hatte ihr zerrauftes Fell geglättet und sich anschließend mit ihrer neuen Umgebung abgefunden. Sie war so schlecht nicht, wenn auch tagsüber in der Küche viel zu oft die großen Füße der Riesen herumtrampelten und auch der Dämon häufig witternd an dem Schrank entlangschlich, unter dem sie sich verborgen hielt.
Andererseits war nachts das Revier frei von Feinden, aber voller Gaumenfreuden. Brotkrümel, Käsestückchen, Katzenfutter – ja, ja, auch das.
Die oberflächlichen Wunden, die die spitzen Krallen und Zähne des Dämons ihr bei seinem Spiel beigefügt hatten, verheilten bei dieser bekömmlichen Diät rasch, und das Fell glänzte wieder rotbraun und flauschig weiß an Hals und Bauch.
Unter dem Schrank, fand die Maus, war es nicht besonders ideal. Diese gelbgrünen Augen blinzelten allzu häufig darunter, und die Pfote war schon zweimal beängstigend nahe gekommen. Aber bei den nächtlichen Streifzügen fand sich dann eine zufriedenstellende Höhle unter dem morschen Holz der Sockelleiste an der Wand.
Hier nahm das Schicksal jedoch einen beinahe verheerenden Lauf. Eine Kiste wurde vor den Eingang der Höhle geschoben, und die Maus saß darin zwei Tage gefangen. Zwar konnte sie zunächst von ihrem angesammelten Fett zehren, aber der Hungertod rückte beständig näher.
Doch dann gab es ein Scharren und Schurren, die Kiste wurde beiseitegeschoben, die Maus flitzte heraus und überhörte den entsetzten Schrei einer Frau: »Ihh, Lindis, da ist die Maus!«
Die Maus war aber schon in Sicherheit und knabberte glücklich an einer Brotrinde, die unter den Schrank gerutscht war.
Knoten 1. und 5. Faden
»Auf, Beni, heute musst du für dein Abendessen arbeiten. Hier, nimm den Eimer und die Schaufel!«
»Muss ich den Atlantikwall neu errichten?«
Beni hatte mit großem Erstaunen vormittags herausgefunden, dass am Strand noch ein alter, halb vom Sand verschütteter Bunker existierte, und Teresa mit ihrer Unkenntnis über die neuere Geschichte verblüfft. Teresa hatte ihr auf die Sprünge geholfen, und jetzt prahlte sie mit ihrem neuen Wissen. Robert lachte jedoch und versicherte ihr, dass sie nur mit ihm Muscheln sammeln gehen sollte.
»Muscheln?«
»Miesmuscheln sind eine Delikatesse. Wir kochen sie nachher in Wein.«
»Na, wenn du meinst.«
»Ich meine! Los, wir brauchen
Weitere Kostenlose Bücher