Die keltische Schwester
mindestens zwei Eimer voll.«
Robert war am frühen Nachmittag gutgelaunt zurückgekommen und war voller Unternehmungslust. Mir hingegen machten das schwüle Wetter und mein Gewissen zu schaffen. Ich war lethargisch bis zum Umfallen. Halbherzig hatte ich versucht, mit Teresa etwas Ordnung in der Küche zu machen, aber nachdem sie von der Maus erschreckt worden war, hatten wir beide wegen der dräuenden Gefahren diese Arbeit aufgegeben und uns mit einer Flasche eiskalten Cidre unter den Apfelbaum in den Schatten gesetzt.
»Ich hoffe, es gibt bald ein Gewitter. Das ist ja grässlich, diese klebrige Hitze.«
»Mhh.«
Sehr erschöpfend war die Unterhaltung mit Teresa auch nicht. Ich beließ es dabei.
Erst gegen Abend wurde ich etwas munterer und beteiligte mich an dem fröhlichen Geplänkel, das Beni und Robert in der Küche veranstalteten. Da hatten sich zwei Kochkünstler getroffen, und ich hatte die leise Ahnung, dass Robert in Benis Augen in die höheren Himmelsregionen aufgerückt war.
Das Essen, das sie gemeinsam produziert hatten, war allerdings lecker, und meine Schwester konnte nicht aufhören zu betonen, wie lehrreich das Muschelnsammeln gewesen war.
»Beni, wir kennen jetzt bald die Lebensgeschichte einer jeden einzelnen Muschel. Könnten wir mal über etwas anderes sprechen?«
»Jawohl, ältere Schwester. Robert, deine Lebensgeschichte zum Beispiel!«
»Ich hab keine.«
»Doch, bestimmt. Mein Instinkt sagt mir, dass sie vollerdunkler Flecken ist. Und das finde ich ja soooo interessant. Was war das gestern zum Beispiel mit dem Dschungelkampf?«
»Nichts, Süße.«
»Monsieur hat ein paar Jahre in der
Légion étrangère
gedient. Auch wenn du mit neuerer Geschichte nicht so ganz auf dem Laufenden bist, wirst du von dieser heldenhaften Truppe schon mal was gehört haben.«
»Hey, echt? So richtig Söldner-Rambo? Mit Messer zwischen den Zähnen?« Beni sah ihn bewundernd an. Nahe dem Thron Gottes! »Kann ich mir richtig vorstellen. Wie irre!«
»Was für einen eigenartigen Reiz das auf Frauen hat, nicht, Lindis?«
»Quatschkopf!«
Ich hatte mal ein Bild von ihm in Uniform gesehen. Die vornehme Uniform, sandfarben mit diesem
Képi blanc
. Bartlos und mit ganz kurzen Haaren. Ich hatte ihn auch danach nie gefragt. Teresa war mutiger.
»Warum hast du das gemacht, Robert? Ich habe das nie so ganz verstanden.«
»Ich soll unbedingt mein Leben aufrollen, was? Na gut. Ich war sehr jung und sehr eifrig und voller wirrer Gefühle. Aber ich hatte irgendwie den Wunsch, sie zu einem sinnvollen Einsatz zu bringen. Die Liebe zu meinem Land war es, die ich mit der Waffe in der Hand ausüben wollte.«
»Leichter Jugendirrsinn.«
»Ja, so sah ich das auch bald. Aber es hatte auch etwas Gutes, Teresa. Nicht nur, dass ich eine ganz andere Art des Lebens dabei erfahren habe. Gegenüber meinem Elternhaus war das ein ziemlich krasser Unterschied. Ich habe dabei auf die eine oder andere Weise die Grenzen meiner Belastbarkeit kennengelernt. Und meine ganz große Liebe.«
Er lächelte versonnen und sah vor sich hin. Ich war verwirrt. Was kam denn jetzt noch?
»War sie eine geheimnisvolle Schöne mit Glutaugen?«
»Beni auf Romantik-Trip. Vorsicht!«
»Nein, war sie nicht. Aber sie ist noch immer schön, und meine Liebe gehört ihr auch noch immer.«
Beni sah mich vielsagend an, ich hielt mich sehr zurück.
»Kleine Schwester, hast du es noch nicht gemerkt? Ich liebe diese Erde. Ich liebe sie mit jeder Faser meines Lebens. Ich habe sie lieben gelernt, als ich völlig am Ende im Dreck lag und es nichts anderes mehr gab, auf das ich mich verlassen konnte. Kein Mensch, kein Geist, keine Maschine, keine Waffe. Aber das ist eine andere Geschichte, keine, die ich hier erzählen möchte.«
»Eine wundersame Wandlung, sich anschließend mit einem so staubigen Stoff wie der Geschichte zu befassen.«
»Vielleicht, Beni. Aber ich denke, es wäre jetzt besser, das Thema wieder zu wechseln. Hat Lindis uns was zu bieten?«
»Nein.«
»Doch, doch, ältere Schwester, bestimmt.«
»Lasst mich bitte in Ruhe.«
»Oh, erzähl uns von der Laus auf deiner Leber, bitte.«
»Da ist keine.«
»O doch, eine große. Hat dich Wulfi-Schnuffi besucht?«
»Nein, aber Dr. Koenig kommt am Mittwoch, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen.«
»Und jetzt hast du Angst, dass er dich rausschmeißt?«
»Beni, du bist penetrant. Ich habe keine Lust, darüber zu sprechen.«
»Warum nicht? Bist du plötzlich wankelmütig geworden,
Weitere Kostenlose Bücher