Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
betrachteten beide gemeinsam den Schneefall. »Wie es aussieht, wird diese Romanze auch nicht lange halten«, seufzte die Yadi schließlich. »Selbst wenn uns die Weißmäntel nicht vorher schnappen; nach dieser Reise wird Kai sich ihnen so oder so stellen. Das heißt natürlich, falls er sein Versprechen hält und sich nicht als ein Mistkerl wie Sefiron entpuppt.«
Miko runzelte die Stirn. »Sefiron? Wer ist das?«
»Endriels › einzige und wahre Liebe ‹ . Jedenfalls war er das, bevor er sie mit leeren Taschen und gebrochenem Herzen sitzen gelassen hat. Sefiron Tanna ist ein Glücksspieler, Frauenheld, Dieb, Betrüger – was du willst. Sein Ego ist ungefähr so groß wie die Sonne. Ich hab dir doch erzählt, wie Endriel und ich uns getroffen haben, kurz nachdem sie von Zuhause abgehauen ist?«
»Ja.«
»Einige Wochen später ist sie Sefiron über den Weg gelaufen und sie hat sich sofort in ihn verknallt. Ich hab ihr gleich gesagt, sie soll die Finger von dem Kerl lassen, aber sie wollte ja nicht hören.«
»Er hat sie also nur ausgenutzt und betrogen?«
»Nee. Ich glaube, zuerst war er auch in sie verliebt. Er kam nur nicht gegen seine Natur an. Ich hab ihn jedenfalls von Anfang an nicht leiden können.« Nelen strich sich über das Kinn. »Obwohl ich mich frage, wo er heute wohl gelandet ist. Aber wahrscheinlich darf er bis an sein Lebensende in She-Sor nach Erz buddeln. Und selbst das ist noch zu gut für ihn. Es hat lange gedauert, bis Endriel über ihn hinweg gekommen ist. Tja, und nun ist da Kai ...« Sie zuckte mit den Achseln.
»Ja.« Miko wandte sich wieder dem Bullauge zu. Irrte er sich, oder lichtete sich der weiße Vorhang dort draußen allmählich? Ich hoffe, dass es diesmal besser für Sie endet, Kapitän , dachte er. Das wünsche ich mir wirklich.
Der Winter versteckte Kirall wie unter einer gigantischen weißen Wolke. Als Endriel, Kai und Keru die Außenbezirke erreichten, mussten sie sich gegen den Wind stemmen, der ihnen Kälte und Schnee entgegenschleuderte, als wollte er sie davon abhalten, die Stadt zu betreten. Keru stapfte unbeirrt voran und blickte sich wachsam um: Die umgebenden Häuser waren nur dunkle Schemen hinter dem wirbelnden Weiß.
Endriel hatte mittlerweile das Gefühl, dass die letzten Reste ihrer Körperwärme mit jeder Atemwolke aus dem Körper traten. Sie hatte ihre Hände tief in den Taschen vergraben, trotzdem fühlte sich jeder Finger an wie ein Eiszapfen.
Kai ging es nicht besser, eher schlechter, da die dünne Kapuze keinen wirklichen Kälteschutz darstellte und sein Gesicht voll und ganz dem bissigen Wind aussetzte.
Gerade, als sie ihm ihren Schal geben wollte, lichtete sich der Schneevorhang von einem Moment auf den anderen. Der Wind hatte sich ausgetobt, bald fielen nur noch vereinzelte Flocken. Als wäre ein Schleier von ihren Augen gezogen worden, konnten sie nun die Häuserreihen und Straßen erkennen, die sich vor ihnen auftaten.
Endriel erinnerte sich, was Xeah über Kirall erzählt hatte: »Vor knapp siebenhundert Jahren haben sich hier Siedler der Menschen und Skria auf der Suche nach etwas Ruhe und Abgeschiedenheit niedergelassen. Dementspechend sollten Abenteurer, Glücksritter und generell alle Lebewesen die etwas erleben wollen, lieber einen großen Bogen um die Stadt machen.«
Das deckte sich mit dem, was Endriel sah: eine kleine, verschlafene Stadt, die scheinbar niemals aktiv an der Geschichte des Planeten teilgenommen hatte. Die einzigen Sehenswürdigkeiten waren das kleine Observatorium und eine alte Klosterruine, ein paar Kilometer weiter nördlich.
Endriel und ihre beiden Begleiter folgten der präzisen Karte, die Xeah angefertigt hatte. Nach einem viertelstündigen Marsch verließen sie die Außenbezirke und betraten die Altstadt, die von einer breiten Einkaufsstraße, genannt Roter-Mond-Boulevard, in zwei Hälften geteilt wurde. Quer über den Boulevard waren Schnüre mit bunten Wimpeln gespannt. Anscheinend hatte es vor kurzem ein Stadtfest gegeben.
Rechterhand reihten sich dicht an dicht Häuser im typischen Siedlerstil der Menschen: schmucklose Stein- und Holzklötze, bis zu drei Stockwerke hoch. Links erhoben sich Kuppelgebäude der Skria, die selten mehr als zwei Stockwerke umfassten, dafür aber mit wild wuchernden Gärten ausgestattet waren.
Endriel war verblüfft. Trotz ihres Alters schienen die Gebäude gut in Schuss zu sein, sogar die Seitenstraßen waren sauber und einladend. Dunkler Rauch kräuselte sich aus zahlreichen
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