Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
...?«
»Hhhrrmmmmm! «
»Gut, dann eben nicht.«
Der Wald hüllte sich in Stille – bis plötzlich ein Kreischen die Luft erfüllte und die Krähen aus den schneebedeckten Bäumen scheuchte. Nelen und Miko erschraken.
»Was ist das?« Miko rieb sich die picklige Wange und lauschte. »Klingt wie ein ...«
»Schiff!« Nelen und der Junge starrten sich mit weitaufgerissenen Augen an und stürmten in der nächsten Sekunde auf die Brücke.
»Xeah!« Miko riss die Tür auf und fand die Draxyll bäuchlings auf einem Diwan. Ihre Augen waren geschlossen und ihr tätowiertes Horn gab mit jedem Atemzug ein leises Tuten von sich. »Xeah!« Er rüttelte am Arm der alten Heilerin.
Nelen flatterte derweil zur Navigationskarte. »Scheiße«, flüsterte sie. Ein Drachenschiff näherte sich der Stadt von Süden. Ein wirklich gewaltiges Schiff. »Wir kriegen Probleme!«
Mittlerweile hatte Mikos Geschüttel Xeah geweckt. Sie hob langsam die grauen, dünnen Lider.
»Xeah! Sie sind hier! Sie sind hier!«
Die Murmelaugen der Draxyll weiteten sich. »Ich bin eingeschlafen« erkannte sie träge. »Es tut mir leid. Das hätte nicht geschehen dürfen.«
»Wir müssen Kapitän Naguun und die anderen warnen!«, drängte Miko.
»W-Wovor?«
»Die Dragulia ist im Anflug!«, sagte Nelen.
Endriel kaufte für sich und Kai zwei Holzspieße mit kandierten Stücken von Äpfeln, Bananen und Birnen. Gemeinsam setzten sie sich auf den Steinring eines Brunnens in der Straßenmitte. Über ihnen ragten vier große Bronzewasserspeier in Form von springenden Delphinen auf. Das Brunnenwasser war gefroren, doch ein aufmerksamer Mitbürger hatte einen Großteil des Schnees entfernt, sodass sie sich setzen konnten, ohne sich nasse Hintern zu holen.
Keru war keine fünfzig Schritte von ihnen entfernt. Obwohl er ihnen den Rücken zugekehrt hatte, wusste Endriel genau, dass er sie unter Beobachtung hielt – irgendwie.
Die Begegnung mit dem skeletthaften Drogenhändler hatte sie schon vergessen. Sie würden Kirall sowieso bald verlassen, beladen mit Vorräten. Dann würde die Korona lange Zeit den Erdboden nicht mehr berühren müssen. Und bald darauf würde sie endlich Kais Mentor kennenlernen. Jede Sekunde kann die Jagd auf uns fortgesetzt werden , dachte sie. Also genieß die kurze Zeit, die du noch festen Boden unter den Füßen hast.
Sie knabberte an dem Spieß und ließ sich die Süßigkeit auf der Zunge zergehen. »Diesen Luxus habe ich mir schon lange nicht mehr gegönnt«, seufzte sie. »Kandierte Früchte sind für mich der schönste Teil des Winters.«
Kai sah sie an, mit einem wehmütigen Ausdruck in den Augen.
Sie lächelte irritiert. »Was ist los?«
»Entschuldige, es ist nur ... du hast mich gerade an jemanden erinnert.«
»Aha. An wen?«
»Liyen«, flüsterte er.
Tu es nicht , dachte Endriel. Lass es sein! Frag nicht! »Wer ist Liyen?« Sie versuchte so unbeteiligt wie möglich zu klingen. Gleichzeitig betete sie: Bitte lass sie seine Mutter oder Schwester sein!
»Liyen war – ist – das Mädchen, das mich während meiner Reisen begleitet hat. Sie war der einzige Mensch auf der Welt, von dem ich dachte, dass er mich wirklich kennt. Der einzige Mensch, den ich in meiner Nähe ertragen konnte.« Er kaute gedankenverloren auf einem Apfelstück.
Endriel betrachtete ihn wortlos und versuchte, mit ihrer Enttäuschung fertig zu werden. Plötzlich nahm sie die Kälte um sich herum viel stärker wahr als zuvor.
Zumindest weißt du jetzt, dass er nicht auf Männer steht . Verdammt, das hätte dich nicht so treffen dürfen!
»Du erinnerst mich sehr an sie«, sagte Kai. Ob er wusste, wie grausam das war? »Ihr habt den gleichen Humor. Und sie liebte den Winter ... und kandierte Früchte.« Er lächelte. Es sah traurig aus. Sein Tonfall machte klar, was er für das Mädchen empfunden hatte.
Lass es , mahnte Endriel sich. Hör auf, dir selbst weh zu tun. »Was ist passiert? Ich meine, zwischen dir und ... Liyen?«
Kai hauchte eine Atemwolke in die Luft und blickte zum Himmel. »Wir haben uns gestritten und sind auseinander gegangen. Ich begann die Ausbildung unter meinem Mentor und Liyen verschwand. Ich habe sie nie wieder gesehen.« Leiser fügte er hinzu: »Aber ich würde viel dafür geben, noch einmal mit ihr zu sprechen.«
Ein Moment des Schweigens verging. »Du liebst sie immer noch, oder?«
»Ich weiß es nicht.« Kai rieb die kalten Hände aneinander. Unter der Kapuze waren seine Nase und Ohren ganz rot. »Wir haben uns
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