Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
Grinsen verschwand und sie ließ sich neben Endriel nieder. »Tut mir leid.«
»Ich meine es nicht böse, aber ich versuche gerade irgendwie klarzukommen. Wie lange habe ich gepennt?«
»Gut einen Tag.«
»Was?«
Nelen zuckte mit den Achseln während Endriel vor sich hinstarrte. Ein ganzer Tag ist aus meinem Leben gestrichen worden . Sie massierte wieder ihre Stirn, als würde das helfen, ihr Gedächtnis zu stimulieren. Und tatsächlich, langsam kehrten die Bilder zurück: Wie Kai, Keru und sie durch Kirall geflüchtet waren, nachdem am Himmel plötzlich die Dragulia erschienen war. Dann hatten die Weißmäntel sie geschnappt und zu Andar gebracht. Sie hatten über Syl Ra Van, Kais Unschuld und den Schattenkult gesprochen. Andar hatte sie allein gelassen und dann waren sie aufgetaucht: die Schatten .
Kai! Sie riss die Augen auf. »Was ist mit Kai? Haben sie ihn ...?«
»Keine Sorge.« Nelen lächelte. »Er ist auch hier. Aber ich schätze, er schläft noch.«
Endriel lehnte sich zurück in die Kissen. Er ist noch bei mir . »Aber eines begreife ich nicht«, murmelte sie.
»Gut für dich«, sagte Nelen sarkastisch. »Ich begreife eine ganze Menge nicht an dieser Sache.«
»Wie konnten diese Typen an Bord der Dragulia gelangen? Das Ding ist nicht einfach irgendein Drachenschiff, es ist eine verdammte Festung!« Sie dachte an Andar Telios und betete, dass er die Episode schadlos überstanden hatte.
Nelen kraulte den Flaum auf ihrem rechten Ohr. »Keru meint, ihre Maschinen wären irgendwie lahmgelegt worden. Vielleicht hatten die Kerle in Schwarz ja einen Komplizen an Bord. Als wir die Barke verfolgt haben, lag das Schiff die ganze Zeit seelenruhig vor Anker. Nichts hat sich gerührt.«
»Wer waren diese Typen?«
»Tja, das ist die Eine-Millionen-Gonn-Frage. Wir haben uns auch schon den Kopf darüber zerbrochen. Sicher ist, dass sie hinter Kai her waren.«
»Und warum haben sie mich mitgenommen?«
»Vielleicht weil sie dachten, ihr gehört zusammen.« Nelen zuckte mit den Achseln. »Ich glaube, Keru hat zumindest eine Ahnung, was vor sich geht. Aber du weißt ja, wie er ist, verschwiegen wie ein Stein. Na ja, immerhin hat er euch die Haut gerettet.«
»Keru.« Endriel richtete sich auf. »Wo ist er?«
»Hier im Kloster. Genau wie Xeah und Miko. Die ganze Mannschaft ist vollständig versammelt, Kapitän. Miko und Keru sind gerade dabei das Schiff zu reparieren, bei dem Wettrennen mit der Barke ist einiges kaputt gegangen. Xeah ist ganz in der Nähe und unterhält sich mit ihren Leuten.«
Endriel versuchte, alles zu verstehen. Die Dragulia wurde von Fremden geentert. Also gab es noch eine Partei, die Kai jagte. Sie musste an seine Worte über den Schattenkult denken. Er hat dir nicht alles gesagt. Er weiß etwas. Sie hatte ihm vertraut, hatte ihm seine Unschuldsbeteuerungen abgekauft. Hatte er sie getäuscht?
Der Gedanke machte sie wütend und traurig. Sie wusste gar nichts über ihn. Sie hatte sich von einem Paar smaragdgrüner Augen zur größten Dummheit ihres Lebens hinreißen lassen. Ihr Glaube an ihn war sogar soweit gegangen, dass sie für ihn ihr Leben riskiert hatte. Allein seine Worte über Syl Ra Van hätten sie misstrauisch machen müssen.
Verdammt.
Sie musste mit ihm sprechen, musste ihm in die Augen sehen. Sollte sich herausstellen, dass er sie belogen hatte, würde sie ihn eigenhändig vom höchsten Turms des Klosters stoßen. Aber wenn nicht – wenn sie irgendwie fühlte, dass er die Wahrheit gesagt hatte? Sie seufzte schwer. »Nelen?«
»Ja?«
»Wir sitzen vielleicht tiefer in der Scheiße, als wir bisher gedacht haben.«
»Warum erzählst du mir nicht mal was Neues?« Nelen flatterte direkt vor den Augen ihrer Freundin. »Ich habe gleich gesagt, du sollst die Finger von ihm lassen. Aber nein, du wolltest ja nicht auf mich hören. Wir können nur von Glück reden, dass wir jetzt eine kleine Verschnaufpause einlegen dürfen.«
»Ich muss mit ihm reden.« Endriel schwang sich von der Schlafmatte und suchte den orangefarbenen Raum nach ihren Sachen ab.
»Äh, hallo?« Nelen sah ihr nach. »Hast du was an den Ohren? Er ist noch bewusstlos!«
»Egal. Ich muss ihn sehen. Wo sind meine Klamotten?«
»Da drüben.« Nelen deutete gerade auf das Bambusrollo, als Schritte hinter dem Türvorhang ertönten. Jemand klopfte an den Türrahmen, kurz darauf trat Xeah ein, in Begleitung eines großen, grauen Skria. Endriel wurde schagartig bewusst, dass sie halbnackt war. Sie flüchete auf die
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