Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
auch funktioniert«, fügte Endriel hinzu. »Bisher ist auf dieser Reise viel zu wenig nach Plan gelaufen.«
»Du neigst zu Untertreibungen«, sagte Kai.
Sie lächelte.
»Können wir es auch nicht verfehlen?« erkundigte sich Nelen.
»Keine Sorge.« Kai hob seine Armschiene. »Das hier wird uns leiten.«
Nelen betrachtete den roten und den blauen Kristall in dem silbernen Metall. »Was kann das Ding sonst noch?«
Kai lächelte geheimnisvoll. »Wart’s ab.« Als Schritte im Korridor ertönten, blickte er auf. Xeah kam zu ihnen, gefolgt von Keru und Miko.
»Wir können ablegen«, brummte der Skria.
»Bestens!« Endriel marschierte auf das Steuer zu, doch Keru drängte sie zur Seite. »Ich fliege, hast du das schon vergessen?«
Sie wischte sich die Hände an der Hose ab. »Meinetwegen.« Wenn sie nicht hinter dem Steuer stehen musste, konnte sie wenigstens mit Kai unter vier Augen sprechen. »Dann lasst uns aufbrechen!«, sagte sie und stellte sich neben Keru. Nelen flatterte zu ihr und setzte sich auf ihre Schulter.
Kai, Miko und Xeah nahmen auf den beiden Diwanen Platz, während Keru den Geisterkubus aktivierte. »Drachenschiff Korona in Hangar acht bittet um Starterlaubnis«, knurrte er.
Der Kristall füllte sich mit der Projektion eines jungen, menschlichen Adepten mit kahlrasiertem Schädel. » Starterlaubnis erteilt, Korona . Guten Flug. Möge die Heilige Prophetin über Sie wachen. «
Der Kubus erlosch. Im selben Augenblick knarrten und stöhnten große Maschinen. Die hölzernen Segmente der Hangarkuppel öffneten sich, wie eine mechanische Blume, bis die Besatzung des Schiffes den samtenen Abendhimmel sah. Die Sterne glitzerten, dunkle Wolken zogen träge dahin.
Es geht wieder los. Endriel spürte ihr Herz fast unerträglich hart schlagen. Einmal mehr lag die Zukunft ungewiss vor ihnen. Sie blickte über die Schulter zu ihrer Mannschaft und erkannte ähnliche Empfindungen in ihren Blicken. Wir werden es schaffen , sagte sie sich, atmete tief durch und befahl laut: »Antriebe zünden!«
Mit einem blitzenden Lächeln folgte Keru ihrem Befehl. Die Antriebe der Korona heulten eine Sekunde lang auf, dann brüllten sie wie ein Drache, der aus einem langen Winterschlaf erwachte.
Keru fuhr die Flügel zu voller Größe aus und Endriel konnte das grelle Licht der Steuerdüsen im trüben Abendlicht strahlen sehen. Keru trat das Schubpedal durch und als sich das kleine Schiff in die Lüfte schwang, riss er das Steuer herum. Die Korona beschrieb eine großzügige Kurve um das fliegende Kloster.
Endriel trat an die Scheibe, um das Schauspiel zu genießen. Tausend Lichter leuchteten zwischen den Zweigen und Blättern des Sanktums wie gefangene Sterne.
»Lebt wohl, meine Freunde«, hörte sie Xeah leise murmeln.
Schließlich ließ das Schiff das Kloster hinter sich und gab vollen Schub in Richtung Norden, zum Großen Meer.
22. Am Ende der Welt
»Starre lang genug in den Abgrund und du stürzt.«
– die Dichterin Quima Ve-Kar
In der Nacht nach dem Überfall der Schatten hatte Admiral Andar Telios einen Traum, an den er sich auch einen Tag später noch mit bemerkenswerter Klarheit erinnerte:
Er befand sich in Olvan, seiner Heimatstadt. Es war ein warmer Sommernachmittag, doch über den rostroten Dächern der Stadt lag Schweigen. Die Wolken schienen am Himmel festgefroren zu sein und die Pflasterstraßen waren leer. Dennoch erinnerte sich der Admiral später, dass ihm diese Tatsache im Traum vollkommen normal erschienen war. Im Gegenteil: Er hatte die wohltuende Stille um sich herum genossen.
Yanek Naguun begleitete ihn auf einem Spaziergang durch die verlassene Stadt. Sie überquerten die alte Marktstraße, auf der sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Die Buden und Stände waren ebenfalls verlassen.
Auch Yanek war wie damals, ein junger, kleiner Mann mit asketischem Gesicht und fortgeschrittenem Haarausfall. Beide Männer trugen die Uniform ihres Ordens.
Sie unterhielten sich lange und Telios hatte seinem Freund und Mentor erklärt, was vor zwei Tagen geschehen war, wie die Schatten kurz nach der Gefangennahme des Jungen aufgetaucht waren, und er erfuhr, dass sich ein Verräter an Bord der Dragulia befand. Er berichtete, wie er den Befehl gegeben hatte, die Weitergabe der Suchmeldung in der Nördlichen Hemisphäre fortzusetzen – bislang ergebnislos. »Das Schiff scheint verschwunden zu sein. Niemand will es gesehen haben.«
»Geduld, Andar.« Yanek klopfte dem wesentlich größeren Admiral auf
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