Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
preisgünstig.
Sie finden uns in Dock 21, Ringhafen, Teriam.
Meine Mannschaft und ich freuen uns darauf, Sie an Bord begrüßen zu dürfen,
Kapitän Endriel Naguun.
Kai blickte auf. Die Kinder grinsten.
»Die hat dir doch deinen wertlosen Kadaver gerettet, oder?« Ri-Yurs Horn gab ein hohles Tuten von sich. Er stopfte sich ein Stück Fladenbrot in den Schnabel.
Kai las erneut die letzte Zeile: Kapitän Endriel Naguun. »Ja ...«
Orryn sprach mit vollen Mund: »Hab ich’s doch gewusst. Diesen bescheuerten Namen kann’s nicht zweimal geben! Endriel Naguun – ich würd mich umbringen, wenn ich so heißen würde!« Apfelsaft lief über ihr Kinn, sie wischte ihn mit dem Unterarm ab. »Tja, die Gute ist da oben, mit ihrem Schiff. Vielleicht kann sie dir ja noch mal die Haut retten, was meinst du?«
Kai schenkte ihr ein Lächeln. »Einen Versuch wäre es wert. Ansonsten weiß ich nämlich nicht weiter.«
Orryn grinste. »Freut mich, wenn’s dich freut.«
»Bleibt nur die Frage, wie ich zum Ringhafen kommen soll. Ich weiß ja nicht mal, wo ich mich im Augenblick befinde!«
»Mach dir darüber mal keine Gedanken.« Orryn sah ihre beiden Freunde an. Grao und Ri-Yur nickten.
»Das ist ziemlich selbstlos von euch«, sagte Kai mit einem gerührten Lächeln. »Und leichtsinnig. Wenn man euch mit mir zusammen sieht, werdet ihr ziemliche Schwierigkeiten kriegen.«
Grao schüttelte den Kopf. »Von wegen selbstlos, das ist reiner Egoismus. Hauptsache, wir können die Weißmäntel in die Pfanne hauen, mehr verlangen wir gar nicht.«
»Mehr kann ich auch nicht geben. Wird der Hafen nicht ebenfalls bewacht?«
»Klar«, sagte Ri-Yur. »Aber nicht so stark wie die Portale. Wir starten ein kleines Ablenkungsmanöver, reine Routine. Die Weißmäntel fallen jedes Mal darauf rein.«
»Du wirst neue Klamotten brauchen.« Grao setzte ein Grinsen auf. »Macht nicht den besten Eindruck, wenn du dieser Naguun mit blutverschmierten Sachen gegenübertrittst.«
Kai war gerührt. »Ich danke euch.«
»Immer mit der Ruhe«, sagte Orryn. »Du kannst uns danken, wenn du lebend von der Scheibe runter bist!«
ZWEITER TEIL:
DIE JAGD
12. Miko
»Die reinsten Seelen verstecken sich in Klumpen aus Staub und Lehm.«
– Die Heilige Prophetin Shiama Xal-Nama
Miko hatte genug. Es war eindeutig Zeit zu gehen. Zeit, seinen schlagwütigen Vater hinter sich zu lassen, genau wie seine Mutter, die gar nichts verstand, am wenigsten die Gefühle ihres eigenen Sohnes. Zeit, seinen sadistischen Schulkameraden den Rücken zuzudrehen. Zeit, hinaus in die Welt zu gehen, um ein Held zu werden.
Dann würde niemand mehr über ihn lachen (am wenigsten die Mädchen). Niemand würde sich mehr über ihn lustig machen. Er würde die Tyrannei seines Elternhauses endlich vergessen.
Es gab nichts mehr, das ihn noch hier festhielt.
Abgesehen von seiner eigenen Feigheit.
Sein Vater, Tonn Gorlin, arbeitete schon seit Ewigkeiten als unterbezahlter Kistenschlepper in einem Lagerhaus am Ringhafen West. Vor siebzehn Jahren war er zusammen mit Mikos Mutter in die Schwebende Stadt gekommen, weil hier die Straßen angeblich mit Diamanten gepflastert waren.
Aber nicht für ihn.
In einer einzigen Nacht hatte Tonn Gorlin seine gesamten Ersparnisse beim Glücksspiel verloren und sich zusätzlich einen Haufen Schulden bei einem zwielichtigen Draxyll namens Shu-Xan aufgehalst, der den wenig vertrauenerweckenden Beinamen »Narbengesicht« trug.
Tonns Frau, die damals mit Miko schwanger war, hatte gedroht ihn zu verlassen, wenn er nicht wenigstens die Arbeit im Lagerhaus annehmen würde. Und dort war er dann geblieben, bis heute und sicher bis zum Ende seines Lebens. Die Plackerei hatte ihn ausgezehrt und tiefe Furchen in sein Gesicht gegraben. Seine Hände bestanden nur noch aus Schwielen.
Tonn Gorlin schuftete neun Stunden am Tag für weniger als tausend Gonn im Monat, die gerade ausreichten, um die Familie über die Runden zu bringen. All die schönen Träume, die er gehegt hatte, waren zertrampelt, zerrissen, zerstört.
Und das hatte er jeden spüren lassen.
An solchen Abenden, wenn sein Vater wieder betrunken nach Hause torkelte, seine Frau anschrie und seinen Sohn zwang, sich im Schrank zu verstecken, fragte sich Miko immer wieder, ob es nur die Frustration über das eigene Versagen war, die Tonn Gorlin zu dem Mann gemacht hatte, der er heute war: cholerisch, laut, mürrisch, unzufrieden und gewalttätig. Oder ob es an der Tatsache lag, dass sein Sohn ein
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