Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
vielleicht bist du der Vorbote einer ganzen Flut von Kunden.«
Er nickte. »Das wäre schon gut, Kapitän.«
»Also, mach es dir hier ein bisschen gemütlich, dann fang mit der Arbeit an. Wir sehen uns nachher.«
Damit verabschiedete sie sich und erklomm die Wendeltreppe. Miko blieb allein mit Nelen und dem Skria – Keru? So hieß er doch, oder? Als er kurz zu der riesenhaften Raubkatze aufblickte, starrte diese ohne zu blinzeln zurück.
»Äh, das war vorhin bloß ein dummer Witz mit der Katzenallergie«, versicherte Miko mit vorsichtigem Lächeln.
Der Skria beugte sich zu ihm herunter, bis zwischen ihren beiden Gesichtern nur ein paar Zentimeter Luft waren. »Das möchte ich hoffen«, brummte er. »Um deinetwillen. Und ich möchte dir noch einen Rat geben.« Er richtete sich wieder auf. »Fass hier unten nichts an, klar?« Dann folgte er Kapitän Naguun.
Miko sah ihm nach und sog scharf die Luft ein. »Ich glaube, der mag mich nicht«, sagte er zu Nelen, die neben ihm flatterte.
Die Yadi machte eine wegwerfende Bewegung mit einer ihrer winzigen Hände. Der Wind aus ihren Flügeln kühlte seinen Schweiß. »Keine Sorge, er meint es nicht so. Keru ist manchmal ein bisschen ...« Sie ließ den Satz unvollendet. »Nachher stelle ich dir Xeah vor. Die ist lustig.«
»Die Mannschaft besteht nur aus vier Leuten?«
Nelen nickte. »Fünf mit dir.«
»Ich verstehe«, sagte Miko. Er war froh, das zu hören.
»Ich habe auch meine Eltern verloren, als ich dreizehn war«, wechselte Nelen dann das Thema. »Ich weiß, wie du dich fühlen musst. Aber mach dir keine Sorgen, jetzt hast du ein neues Zuhause gefunden!«
Endriels Fuß berührte fast die Gangway, als sich eine schwere Krallenhand auf ihre Schulter legte. Sie zuckte zusammen und wirbelte herum. Keru. Sie hatte ihn nicht kommen hören. Irgendwann musst du mir diesen Trick beibringen.
»Hältst du das für eine gute Idee?«, schnaubte er.
»Was? Das mit Miko?« Endriel strich sich das Haar aus der Stirn. »Keru, ich weiß es nicht. Ich hatte einfach Mitleid mit ihm.«
»Und wenn er Ärger macht?«
»Was soll er schon groß für Ärger machen? Du hast ihn doch gesehen, er ist ein liebenswerter Tollpatsch. Außerdem hat er niemanden.«
»Wir sind kein fliegendes Waisenhaus!«
Endriel sah zu ihm auf. Für jeden anderen hätte sein Auge nur Wut ausgestrahlt. Aber sie glaubte, etwas anderes aus der Miene des Skria herauszulesen. Furcht? »Keru ...« Einen Moment lang wusste sie gar nicht, was sie sagen sollte. »Versteh mich bitte nicht falsch, aber du bist immer noch ein Mysterium für mich.«
Er ließ sie ausreden.
»Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du hast Angst vor der Welt da draußen.«
Er wandte stumm sein vernarbtes Löwengesicht ab und Endriel wusste Bescheid: »Du willst also immer noch nicht darüber reden. Schön. Das muss ich wohl respektieren. Aber eines Tages wirst du mir alles erzählen müssen. Haarklein.« Immer noch keine Reaktion. Er ist wie ein Kind , dachte sie. Er weiß, dass er etwas falsch gemacht hat, aber er will es nicht eingestehen.
Er verwirrte sie, von Minute zu Minute mehr. Keru war möglicherweise der komplizierteste Skria dem sie je begegnet war. »Ich habe noch etwas zu erledigen«, sagte sie schließlich und wandte sich ab. »Wir sehen uns nachher.«
13. Unerwartetes Wiedersehen
»Das Unerwartete hat die dumme Eigenschaft, nur unerwartet aufzutauchen.«
– Admiral Chesru von den Keem-Bassur, zu Beginn des zweiten Schattenkrieges.
Warum hast du das getan, Yanek? Warum hast du mir nie ein Wort gesagt?
Admiral Andar Telios stand in seinem Büro an Bord der Dragulia vor einem der drei großen Bullaugen. Sein Blick verlor sich am Horizont; die Sonne ging gerade über dem Kleinen Meer unter. Der Himmel geronn von gelb zu orange, durchzogen von den Lichtspuren der Patrouillenschiffe. Die Wassermassen unter der Schwebenden Stadt färbten sich von einem tiefen Blau zu dunklem Violett. An den Ufern gingen die Lichter der Städte auf, erst vereinzelt, dann immer mehr zur gleichen Zeit.
Der Admiral nahm nichts davon wahr. Nicht einmal Endriel hat es gewusst. Haben wir dir so wenig bedeutet?
Sein Blick wanderte zu seinem Schreibtisch, wo noch immer der Abschiedsbrief seines Freundes und Mentors lag. Telios hatte ihn wieder und wieder lesen müssen. Und selbst als sein Verstand die Worte akzeptiert hatte, wehrte sich sein Herz standhaft dagegen. Er konnte nicht glauben, dass Yanek Naguun die Welt verlassen
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