Die Kenlyn-Chroniken 01 - Drachenschiffe ueber Kenlyn
sie, ohne den Skria anzusehen. »Dann können sie zumindest nicht mehr auf uns feuern!«
Fünf Kilometer ... vier ... drei ... zwei ...
Miko presste die Lider fest zusammen, als das Schiff eine Sekunde lang in rubinrotes Licht getaucht wurde. Bunte Flecken tanzten hinter seinen geschlossenen Augen. »Was war denn das?«
»Sie schießen auf uns«, erklärte Kai. Er saß im Schneidersitz auf dem Diwan und klang erstaunlich nüchtern. Aber seine zitternden Hände verrieten ihn.
»Wow!« Miko blinzelte, um die Nachbilder auf seiner Netzhaut loszuwerden. »Moment mal!« Er wirbelte zu Kai herum. »Warum schießen sie auf uns?«
»Mehr Schub!«, befahl Kapitän Sronn auf der Brücke der Xarai . »Sie entkommen uns!«
Hinter dem Kristallglas der Brückenkanzel leuchteten die Antriebe des kleinen Drachenschiffs in der Dunkelheit wie Kometenschweife. Sein Vorsprung nahm unablässig zu.
»Kapitän, mehr Schub ist unmöglich!«, antwortete die Ingenieurin, eine schwarzäugige Yadi, über den zweiten Geisterkubus. »Wir fliegen bereits mit –«
»Kubus deaktivieren!«, donnerte der schwarze Skria. Die Projektion erlosch mitten im Wort.
»Unbekanntes Schiff befindet sich über dem Luftraum von Neng-Gasha!«, meldete der Pilot hinter seiner Konsole.
»Das sehe ich auch!«, grollte Sronn. Über der Stadt konnten sie die Sonnenaugen nicht benutzen, ohne die Bürger zu gefährden.
Er schlug einen seiner Offiziere von der Navigationskarte fort und beugte sich über die Projektion, um es mit eigenen Augen zu sehen: Das kleine Schiff war wendig wie ein Hase. Seine geringe Größe und seine Geschwindigkeit waren klare Vorteile, die der Xarai abgingen.
Sronns Krallen bohrten sich in die Holzverkleidung des Bildschirms. Sie werden uns entkommen!
Die Korona raste zwischen den Leuchttürmen hindurch und über die Piers gewöhnlicher Segelschiffe hinweg; sie jagte über Promenaden, Häuser, hellerleuchtete Boulevards und Straßen, die bei Nacht wie ausgestorben wirkten. Endriel hielt das Schiff dicht über den Dächern, riss das Steuer nach links und rechts um höher liegenden Bauwerken auszuweichen. Das Saphirfeuer der Antriebe zerfetzte Fahnenmaste und Windräder.
»Das ist Wahnsinn!« Keru beobachtete mit kaltem Entsetzen die vorbeizischenden Gebäude.
Trotz allem blieb ihnen das Friedenswächterschiff dicht auf den Fersen, mit der Hartnäckigkeit eines Jagdhundes, der Blut geleckt hatte. Es flog circa zweihundert Meter höher als die Korona , wie ein Kondor, der sich auf seine Beute stürzen wollte. Doch es konnte den Vorsprung nicht aufholen.
Nelen hielt sich die Augen zu und betete zu den Geistern.
»Was hast du vor?«, brüllte Keru wieder.
»Schrei mich nicht an!«, gab Endriel zurück und wich im Zickzackkurs einer Reihe von Minaretten aus. »Ich will zu den Portalen im Stadtzentrum. Das ist die einzige Möglichkeit, sie abzuschütteln!«
»Die Portale?« Kerus Ohren richteten sich auf. »Da passen wir niemals durch!«
»Doch!« Endriel jagte das Schiff an einem Balkon vorbei, wo ein Draxyllpärchen saß und die Korona aus entsetzten Murmelaugen anstarrte. Für eine Sekunde trafen sich ihre Blicke – im nächsten Moment lagen die beiden Reptilien schon einen halben Kilometer hinter ihnen. »Mit eingezogenen Flügeln sollten wir es schaffen. Ich war schon oft in Neng-Gasha«, sie stoppte, um das Schiff hochzuziehen, eine Sekunde, bevor es mit einem Tempeldach kollidiert wäre, »ich kenne die Portale der Stadt. Sie sind groß genug, die Korona mit eingezogenen Flügeln durchzulassen! Es wird verdammt knapp, aber wir kommen durch, während unsere Freunde in Weiß zu breit dafür sind! Es wird funktionieren, vertrau mir!«
»Nein!«, rief Keru.
»Sie halten auf das Stadtzentrum zu!«, brüllte Kapitän Sronn und wandte sich von der Navigationskarte ab. »Direkt auf die Nexus-Portale!«
»Dort kommen sie nie durch«, gab sein Erster Offizier zu bedenken, ein grünhäutiger Draxyll mit schleifenartigen Horntätowierungen.
»Kurs beibehalten!«, befahl Sronn. »Benachrichtigen Sie alle naheliegenden Schiffe des Ordens! Sie müssen aufgehalten werden!«
»Kapitän, sämtliche Schiffe im Umkreis sind zur Bewachung von Teriam abgezogen worden!«, erklärte die menschliche Kommunikationsoffizierin. »Sie können erst in Minuten hier sein!«
Der Skria-Kapitän stieß ein markerschütterndes Brüllen aus.
Das Stadtzentrum von Neng-Gasha war ein ausgedehnter, freier Platz, auf dem acht große Nexus-Portale in Reih und
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