Die Ketzerbibel
ausgebrannt und einen Heilstein aufgelegt, der das Gift herausziehen sollte. Zum Glück hatte er sich darauf nicht verlassen, sondern dem Mann außerdem ein herzstärkendes Mittel gegeben. So hatte er überlebt.
Am Stadttor erfuhr er die Neuigkeit. Die ganze Stadt schwirrte von Gerüchten und mörderischer Lust.
«Sie haben diese Weiber in ihrem eigenen Haus eingesperrt, und bald wird man ihnen den Prozess machen», riefen die Leute.
«Zuerst haben sie gesagt, Laura wäre tot», berichtete seine Mutter ihm. «Dann wieder hieß es, sie lebe, aber das Kind sei fort. Geh doch rasch einmal zu den Vidals und schau nach, was nun wirklich passiert ist.» Die alte Dame brannte vor Neugierde und war doch nicht mehr in der Lage, zu gehen und ihren Wissensdurst selbst zu befriedigen.
Carolus war müde und hätte gern etwas geschlafen, doch er eilte sofort zu Marius und Laura. Catherine empfing ihn kühl. «Was willst du hier?»
«Ich habe Gerüchte gehört. Jetzt will ich sehen, wie es deiner Schwester geht und von Marius selbst hören, was geschehen ist.»
«Deine Papelarda hat sich unter dem Vorwand, Ärztin zu sein, hier eingeschlichen und das Kind gestohlen. Das ist geschehen!»
«Catherine! Das sollst du nicht behaupten!» Es war Marius. Er schob sie beiseite und zog den jungen Arzt herein. «Komm, sprich du mit Laura. Sie ist dermaßen verzweifelt über den Verlust, dass ich nicht mehr weiß, was ich tun soll. Ich habe Angst, dass sie mir stirbt. Sie weigert sich zu essen und weint nur und spricht kaum ein Wort.»
Laura lag blass, klein und still auf ihrem Bett. Carolus bat sie untersuchen zu dürfen. Sie ließ es geschehen.
«Sie ist ausgezeichnet versorgt worden. Die Brüste sind eingebunden, wie ich sehe, um die Milchproduktion zu unterbinden. Das ist gut. Körperlich fehlt ihr nichts. Aber Ihr müsst unbedingt etwas essen, Laura!»
Sie schüttelte den Kopf.
«Laura! Ich weiß nicht, was passiert ist, aber ich weiß genau, dass Danielle nichts damit zu tun hat. Sie ist ein guter Mensch und eine hervorragende Ärztin! Jemand anders muss das Kind genommen haben. Wir werden es herausfinden. Iss etwas und bleibe stark. Dein Kind braucht dich, wenn wir es finden. Und ich finde es sicher!»
Laura ließ sich überreden, etwas gezuckerten Rotwein zu trinken, aber essen mochte sie nichts.
«Wer war denn im Haus in der Nacht?», fragte Carolus seinen Freund.
«Eine ganze Menge Leute: Die Mägde Belota und Magali,mein Leibdiener Tommasius, aber der ist bei meiner Familie, seit ich ein kleiner Junge war. Er ist uns treu ergeben! Nie würde er Laura schaden. Und die Mägde haben dazu sicher auch keinen Anlass. Wir haben sie immer gut behandelt. Doktor Renzi war etwa eine Stunde da. Dann die Beginen Jeanne und diese neue, Auda, sie soll Hebamme sein. – Und dann kam mitten in der Nacht diese Italienerin dazu, Danielle. Ich habe immer gehört, sie sei bettelnd durch die Lande gezogen. Und plötzlich sollte sie Ärztin sein? Carolus, ich hoffe nur, ich habe keinen Fehler gemacht, dass ich sie zu Laura ließ! Aber Laura hat sich so gequält, und ich hatte Angst um sie – da habe ich es zugelassen, dass diese Danielle … Carolus: Sie hat sie aufgeschnitten und das Kind auf diese Weise geholt. War das falsch?»
«Nein, mein Freund, das war vollkommen richtig! Ich hätte diesen Eingriff nicht gewagt, aber ich habe es mir angesehen. Es ist gut gemacht und wird bald heilen!»
«Wie kann sie erst Bettlerin sein und plötzlich Ärztin? Wer hat je von weiblichen Ärzten gehört? Was, wenn sie doch eine Hexe ist?» Marius war ganz blass vor Sorge.
«Sie ist ganz sicher keine Hexe, beruhige dich. Dass sie Ärztin sei, wusste ich nicht, aber ich habe so etwas geahnt. Nach dem Brief, den ich aus Paris bekommen habe … irgendwie habe ich mir die Sache nicht zusammenreimen können. Ich war ja so blind in meinem Vorurteil! Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Zuerst müssen wir das Kind finden und dann dafür sorgen, dass die guten Beginen nicht zu Unrecht bestraft werden.»
Carolus sprach mit den Dienstboten.
«Ich weiß nichts. Es hat alles so lange gedauert, und wir mussten den ganzen Tag und die halbe Nacht treppauf, treppab rennen, Wasser schleppen, Leinen bringen, Gebräue aufsetzen, stinkende Pasten rühren – meine Wadensind angeschwollen wie Melonen, Herr! Bitte um Vergebung, ich hab geschlafen, als das Kind gekommen ist», sagte Belota, die ältere der beiden Mägde, «ich habe hinterher die Herrin und das Kind
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