Die Ketzerbibel
Kuchen gab, einfach so. Ein einsames Gehöft, wo man mich im Stroh schlafen ließ bei den Kühen. Da war es schön warm. Freundlichkeit ist eine Form von Magie.
Und dann wurde ich auch langsam kräftiger, zäher. Einige Male konnte ich Arbeit bekommen gegen eine oder zwei Mahlzeiten am Tag und einen Schlafplatz. So bin ich über den Winter gekommen. Den Rest kennt ihr.»
«Also hast du uns die ganze Zeit über eine Komödie vorgespielt mit deiner verlorenen Erinnerung!», sagte Gebba.
«Nein, zumindest am Anfang nicht», antwortete Danielle. «Als ich in eurem Hospital erwachte, da habe ich mich erst wirklich an nichts mehr erinnern können. Und dann wollte ich es nicht mehr wissen. Es hat mir zu weh getan und meinen Stolz zu sehr verletzt. Ich wollte unbedingt einen ganz neuen Anfang machen. Es erschien mir als ein Gottesgeschenk, versteht ihr das? Und da habe ich alles, was nicht zu diesem neuen, ganz sauberen Leben passte, einfach ganz nach hinten in meinen Kopf geschoben, in einer Rumpelkammer sozusagen, und habe die Tür fest zugemacht. Ich habe euch niemals belügen wollen. Ich wollte nur nicht zurückschauen. Das war alles.»
«Aber nun holen deine Sünden dich ein! Dafür habe ich gesorgt!», rief Gebba.
Alle drehten sich nach ihr um.
«Was hast du nun wieder ausgeheckt?», fragte Juliana.
«Ich habe ihr Buch der Stadtwache gegeben. Sie werden es Abbé Grégoire bringen.»
«Gebba!»
«Nein!» Jeanne sprang auf und wollte zum Tor laufen, doch Gebba hielt sie zurück.
«Es ist bereits unterwegs.»
«Was fällt dir ein? Du bist einfach ins Hospital gegangen und hast in meinen Sachen herumgestöbert, hast mich bestohlen?», schrie Jeanne.
«Ich habe nur Schlimmes verhindert, wie es meine schwesterliche Pflicht ist vor Gott! Wenige Blicke haben mir verraten,dass es ein Buch voller Unflat ist und voller Trug! Ein satanisches Buch von übelster Verkommenheit, ein einziger böser Gestank!»
Einige der Schwestern bekreuzigten sich.
«Darin sind Bilder der gemeinsten Art, Zeichnungen der weiblichen geheimen Orte! Pfui! Und Anleitungen zur Eitelkeit habe ich gesehen und, denkt euch: Es steht sogar darin, wie man eine Frau wieder in eine Jungfrau verwandelt! Lug und Trug! Es war meine Pflicht, dieses Schandwerk aus unserem frommen Hause zu entfernen.»
«Da wird sich die Stadtwache aber freuen», sagte Danielle ungerührt.
«Ich habe das Ding eingewickelt und den Mann schwören lassen beim Heil seiner Seele, dass er es nicht ansieht!»
«Es ist ein medizinisches Buch, nichts weiter! Du intrigante Diebin!»
Jeanne wollte tatsächlich auf Gebba losgehen. Doch Danielle hielt sie zurück.
«Lass sie. Sie ist nur unwissend.»
«Aber das Buch! Wenn der Abbé es in die Finger bekommt!», schrie Jeanne.
«Es ist, wie du sagst, eine Anleitung zum Heilen. Er wird es dir zurückgeben müssen», entgegnete Danielle ruhig.
Jeanne brummte ärgerlich in sich hinein und setzte sich wieder. Doch Juliana war nicht so leicht zu beruhigen. «Gebba. Diesmal bist du zu weit gegangen. Du säst Zwietracht in unserer Gemeinschaft.»
«Das tue nicht ich, das tut sie!»
«Nein, du bist es. Und du bestiehlst eine Schwester. Du hintergehst mich und zeigst eine von uns an. Du befolgst die Hausregeln nicht und weigerst dich, dich vor dem Zubettgehen zu versöhnen. Es wäre vielleicht besser, wenn du unser Haus verlassen würdest», fuhr Juliana zornig fort.
«Wie? Du willst mich hinauswerfen? Mich?!», kreischte Gebba, sodass die anderen aufsprangen. «Ich habe dieses Haus mit dir zusammen gegründet und es aufgebaut! All die Jahre habe ich hier für Ordnung gesorgt und nur Gutes getan. Sie aber ist noch kein halbes Jahr hier, und schon hat sie Gesetze gebrochen, hat uns belogen, die Kirche und die ganze Stadt gegen uns aufgebracht. Sie ist es, die gehen muss! Sie!»
19.
«He, Medicus! Carolus! Hast du es schon gehört? Eine der Beginen ist eine Hexe. Sie hat Mestra Lauras Säugling gestohlen und dem Teufel geopfert! Dafür wird sie brennen!»
«Es ist die Fremde, die Italienerin!»
«Ach, die anderen sind auch nicht besser!»
«Haben wir es nicht immer schon gewusst, dass mit diesen Weibern etwas nicht stimmt? Es ist eine Schande, dass man sie hat gewähren lassen, diese Schlampen!»
Carolus war vor zwei Tagen zu einem Gehöft außerhalb der Stadt gerufen worden, wo der Verwalter eines Weinbergs erkrankt war. Er war von einer Viper gebissen worden, als er eine Weinrebe aufrichten wollte. Carolus hatte ihm die Bisswunde
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