Die Ketzerbibel
es, bis es sich vollgesogen hatte, seifte es von allen Seiten ein und warf es dann auf den flachen Stein, um es klatschend mit dem Wäscheklopfer zu bearbeiten.
Danielle tat es ihr nach. Binnen kurzem hatte auch sie ihren Rhythmus gefunden.
«Nicht zu stark, sonst zerreißt die Wäsche – nein, das ist zu schwach, so wird sie nicht sauber», kommentierte Guilhelme freundlich. «Also eine Wäscherin bist du auch nicht. Aber dafür machst du es schon ganz gut.»
Eine der anderen Frauen kicherte: «Du hättest sehen sollen, wie sie sich in der Küche angestellt hat! Annik hat ihr das Schälmesser aus der Hand gerissen und geschrien: ‹Nicht so viel abschneiden! Was für eine Verschwendung! Wenn du kochst, dann verhungern wir alle!›»
Die anderen Beginen lachten. «Und dann hat sie gesagt …», die Erzählerin stemmte die Hände in die Hüften und machte die energische kleine Küchenfrau mit ihren vogelartigen Bewegungen nach: «‹… die hat nie und nimmer für sich selbst gekocht! Nie und nimmer nicht!›»
Guilhelme stieß Danielle gutmütig den Ellbogen in dieSeite: «Na, vielleicht bist du ja doch eine Prinzessin, wie Jeanne meint!»
«Ganz bestimmt nicht, das weiß ich.»
«Aber das ist es doch gerade, dass du nichts weißt! Wie kannst du dann so sicher sein? Wäre das nicht schön, wenn sie dich abholen kämen mit einer Sänfte, dich in ein Schloss trügen, und da lebtest du glücklich bis an dein Lebensende?»
«In einem Schloss habe ich nichts verloren», sagte Danielle. Und während sie es sagte, wusste sie, dass es stimmte.
Nach einer Stunde schmerzte Danielles Rücken, als müsse sie in zwei Teile brechen. Ihre Hände waren verkrampft und die Fingerspitzen vom Wasser runzlig und aufgequollen. Doch sie biss die Zähne zusammen und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
Ein Stück weiter flussaufwärts waren sich zwei Wäscherinnen in die Haare geraten. Immer lauter wurden die Stimmen, bis man verstand: «Du lässt die Finger von meinem Jean! Ich habe genau gesehen, wie du dir in seiner Gegenwart immer das Dekolleté herunterzerrst, bis dir bald die Äpfel rausfallen, und wie du ihn anlächelst, du Rabenaas, du Miststück, du schlampige, faule, freche, unanständige … du, du, du schmutzige …»
Jetzt war die andere beleidigt: «Ich bin
nicht
schmutzig», schrie sie und schubste ihre Gegnerin ins Wasser. Die zog sie am Rockzipfel hinterher. Die anderen Frauen standen auf und feuerten die beiden an, bis sich die Begine Philippa ihrer Christenpflicht erinnerte und eingriff: «Schämt euch, so zu streiten wegen eines Mannes! Du sollst nicht begehren …», fing sie an, doch die beiden nassen Katzen unterbrachen sie und riefen wie mit einer Stimme: «Halt du dich da raus!»
Mittags hatten sie die nasse, aber saubere Wäsche auf derWiese zum Trocknen ausgebreitet. Jeder Busch und jeder erreichbare Ast im weiten Umkreis trug seine Last von Unterkleidern, Umhängen, Tüchern, Decken, Röcken, Miedern, Hemden und Beinkleidern. Die Frauen zogen sich in den Schatten der Bäume zurück und breiteten die mitgebrachten Leckereien aus. Annik hatte die halbe Nacht gebacken, um ihre Schwestern für die harte Arbeit zu belohnen.
«
Fougasses
– Brot mit eingebackenem Speck, Oliven, Wein, Schafskäse, Nüsse und sogar ein Kuchen! Hasenpastete! Kinder, geht’s uns gut heute!», seufzte die dicke Manon und ließ sich auf einen Stapel Wolle fallen. «Seid ihr sicher, dass ihr wirklich alle von dem Kuchen wollt?»
«Ganz sicher! Mein Stück kriegst du nicht!», lachten die anderen.
«Du kannst meins haben», sagte Danielle ruhig.
«Ah! Danke! Eine Heilige bist du», rief Manon.
Die Beginen sprachen ein rasches Dankgebet und fielen über das Essen her. Manon brach das Brot und reichte jeder ein Stück. Danielle roch daran. Es duftete nach Milch und süßem Korn. Die hellbraune Kruste des Brotes brach mit leisem Knacken unter ihren Zähnen, darunter gab es leicht und flaumig nach. Der Weinkrug, der den ganzen Vormittag im kühlen Flusswasser gestanden hatte, wurde herumgereicht. Danielle wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab und nahm einen langen Zug. Die Wirkung setzte sofort ein, diese angenehme Unschärfe im Kopf. Sie schloss die Augen und lauschte auf die Stimmen ihrer neuen Schwestern, auf das Rauschen der Blätter in der Sommerbrise, das Murmeln der Kiesel im Fluss, und ein großer und wunderbarer Frieden überkam sie.
Magdalène rüttelte sie wach. «Komm, Danielle, ich habe
Weitere Kostenlose Bücher