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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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zugewankt.
    «Da sind doch ein paar ganz junge, hübsche dabei. Her mit euch, Mädchen!», schrie der Anführer.
    «Die alten Schachteln sollen ruhig beten, während wir sündigen!» Röhrendes Gelächter begleitete seine zotige Geste. Einer von den Männern hatte Magdalène ausgemacht:
    «He! Du da, Hübsche, du bist doch eine richtige Frau! Komm her! Ich hab hier was, was dir gefallen wird!» Selbstgefällig grinsend legte er die Hand auf seinen Schambeutel.
    Die Männer waren jetzt herangekommen, sie stießen die älteren grob beiseite und begannen die jüngeren Beginen zu behelligen. Philippa schlug sich die Hände vors Gesicht, und Justine begann zu weinen.
    «Warum denn so zimperlich? Ihr seid doch gar keine Nonnen. Ihr treibt’s doch allenthalben unter dem Vorwand der Frömmigkeit, das weiß doch jeder!»
    Eine Brise vom Hafen her trug den Geruch von Teer heran.
    Harte Hände greifen nach ihr und zerren sie aus dem modrigen Dunkel ans Tageslicht. Sie ist nackt bis aufs Hemd, hält die Hände vor die Brüste, vor die Scham, krümmt sich. Eine johlende Menge empfängt sie, grell verzerrte Flecken die Gesichter, klaffende Mäuler, aus denen sich Unflat ergießt. ‹Freunde, Mitbürger! Ihr kennt mich doch! Ich habe nichts getan! Ich bin unschuldig! Unschuldig!› Niemand hört sie. Gelächter gellt in ihren Ohren, böses Gewieher und Geschrei. Sie wird auf die Knie in den Straßendreck gedrückt. Einer greift in ihr Haar und zerrt es hoch – die Menge grölt: ‹Runter damit!› Metallisches Schnappen. Kalt ratscht die Klinge über ihre Kopfhaut, reißt mehr, denn dass sie schneidet. Hüftlange braune Locken fallen. Der Kopf ist so leicht plötzlich und so entblößt. Auf einem offenen Feuer ein Kessel mit Teer, ölig und scharf. Man zerrt sie wieder auf die Füße, hält sie an den Armen, rechts und links, ihre Knie werden weich. ‹Nein, bitte, nicht.› Ungehört verstummt sie,
schließt die Lippen und presst die Augen zu, um nicht zu erblinden. Ein Eimer mit heißem, zähem Teer ergießt sich über ihren kahlen Kopf. Es brennt, es schmerzt. Sie schreit, windet sich. Ihre Haut rötet sich, schrumpft und zischt; ätzender, heißer Brei verklebt ihre Lider, ihre Ohren, die Nase, den Mund. ‹Feee-dern! Feee-dern! Feee-dern!› Der Schlachtruf eines Tieres mit hundert Kehlen. Etwas Weiches, Weißes rieselt auf sie herab und bleibt an ihr kleben. Man lässt sie abrupt los. ‹Fliiiieg, Vogel, fliiieg!›
    Der Wäscheklopfer traf auf berstende Knochen. Der Mann fiel hintenüber wie ein gefällter Baum – zu überrascht, um zu schreien. Blut spritzte aus seiner Nase. Die anderen Männer waren erschrocken zurückgewichen. «Die ist ja wahnsinnig!», rief einer. Ein anderer hielt sich den rechten Arm, der dritte presste beide Hände auf seinen Brustkorb.
    «Verdammt, Weib! Wir wollen doch nur ein bisschen Spaß! – Und ihr wollt fromme Frauen sein? Haltet bloß das Bärenweib zurück.»
    «Was für eine Furie! Kommt, wir holen uns unser Vergnügen da, wo man unser Geld zu schätzen weiß!» Sie hoben ihren verletzten Kameraden auf und machten sich fluchend davon.
    «Danielle!»
    Sie schaute an sich herunter und bemerkte erst jetzt, dass sie mit beiden Händen einen der hölzernen Wäscheklopfer hielt. An der einen Kante klebten Blut und schwarzes Haar. Angeekelt ließ sie ihn fallen. Sie hörte sich selbst keuchen. Ein trockenes Schluchzen schüttelte sie. Und wieder war es Magdalène, die sie in die Arme nahm und wortlos tröstete, sie festhielt, bis ihr Atem wieder ruhiger ging. Justines Haar war zerzaust, ihr Gesicht gerötet vom Weinen und vor Scham. Ein wenig ängstlich blickte sie auf Danielle. «Du hättest sie nicht schlagen sollen», bemerkte sie in zimperlichem Ton.
    «Quatsch!» Manon rappelte sich aus dem Gras auf: «Helftmir hoch, Kinder!» Philippa und Guilhelme zogen sie auf die Beine. «
Ouf!
Das geschah ihnen nur recht! Ich wünschte nur, ich hätte noch solche Kräfte wie Danielle. Du meine Güte! Ich hab gedacht, sie schlägt sie alle zu Brei, eine einzige Frau gegen so viele!»
    «Es muss der Geruch gewesen sein», berichtete am Abend Renata. «Ich hatte mal einen Esel, der war schwer misshandelt worden, und sein Besitzer war ständig betrunken. Also, wenn
der
Wein zu riechen bekam, dann spielte er verrückt – der Esel.»
    «Was war denn da für ein Geruch?», fragte Juliana.
    «Es roch plötzlich nach Teer – vielleicht haben sie eines der Boote unten im Hafen frisch kalfatert. Das muss es

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