Die Ketzerbibel
ist, wie sie sagt», sagte Danielle. «Aber ich habe wenig Vertrauen darein, dass die Menschen etwas Großes erkennen, wenn sie es sehen. Ist nicht auch Jesus von Nazareth getötet worden?»
«Wir wollen ihre Gefahr nicht erhöhen, und deshalb wollen wir auch nichts von dem sagen, was heute vorgefallen ist», versetzte Anne, «wir haben den Bettlerinnen Brot gebracht, und das ist nicht gelogen.»
Die alte Auda erwies sich als Gewinn für Sainte Douceline. Sie war als Hebamme ausgebildet und hatte im Beginenhaus von Toulouse als Infirmaria gearbeitet. So hatte Jeanne endlich die Unterstützung, die sie sich lange gewünscht hatte.
Garsende bemühte sich redlich. Aber sie war niedere Arbeiten nicht gewohnt. In der Küche zankte sie sich mit Annik, weil sie augenblicklich versuchte, die Herrschaft zu übernehmen: «Wie? Du tust keine Eier an den Brei? Da gehören aber Eier ran, sonst rutscht es ja nicht!», oder: «Was? Kein Zimt? Ich mache Forellen immer mit Zimt.» Und ehe Annik etwas sagen konnte, hatte Garsende schon nach der Büchse mit dem kostbaren Gewürz gegriffen und den gesamten Inhalt zu dem Fischgericht gegeben.
«Warum stehen diese Krüge auf der Erde? In
meiner
Küche steht nichts auf dem Boden. Wie sieht denn das aus?!», schimpfte sie weiter.
«Wenn sie da oben stehen, komme ich nicht heran», wandte Annik ein.
«Na, dann steig doch auf einen Schemel», gab Garsende schnippisch zurück.
Als sie schließlich die Schlüssel zur Vorratskammer verlangte, warf Annik sie hinaus. «Das auch noch», keifte sie. «Geh bloß wieder an deinen Webstuhl, oder ich vergesse meine schwesterlichen Gefühle! Alles weißt du besser. Überall drängst du dich vor. Du nimmst mir die Dinge aus der Hand und stellst alles um, dass ich in meiner eigenen Küche nichts mehr finde! So geht das nicht! Viele Köche verderben den Brei, hat meine Mutter selig immer gesagt.»
Garsende war zutiefst gekränkt: «Was hat sie nur? Ich habe ihr doch nur helfen wollen. Ich weiß eben, wie man die Dinge richtig organisiert.»
«Igittigitt!», rief sie, als Juliana ihr auftrug, Philippa beim Latrinenleeren zur Hand zu gehen. «Dafür kann man doch jemanden kommen lassen!»
«Wir sorgen für uns selbst», sagte Juliana streng. «Wir halten hier keine Mägde oder Knechte, die tun müssen, wozu wir selbst keine Lust haben. Es ist eine gute Übung in Demut.»
Garsende beklagte sich über den zugigen Schlafsaal, den Strohsack und die harten Decken. Gebba, die Garsende als sich ebenbürtig betrachtete, schlug ihr vor, sie könne doch das leerstehende kleine Haus zwischen Hospital und Manufaktur der Gemeinschaft abkaufen und sich dort einrichten.
«Vielleicht später einmal», sagte Garsende zögernd. Sie wollte ihren Platz neben Danielle nicht aufgeben, an dem sie sich beschützt fühlte. Magdalène dagegen zeigte sie die kalte Schulter.
In der ersten Woche lungerte ihr Mann jeden Abend vor dem Beginenhaus herum. Abwechselnd versuchte er es mit Drohungen und Schmeicheleien:
«Garsende, komm heraus. Ich habe etwas Schönes für dich!» – «Schickt mir meine Frau heraus, oder ich brenne euch das Dach über dem Kopf ab!» – «Garsende, mein Täubchen, du fehlst mir!» – «Ihr schlechten Weiber, ihr habt meine Ehe zerstört! Dafür sollt ihr in der Hölle schmoren.» – «Garsende, wenn du jetzt nicht kommst und ich erwische dich auf dem Markt, dann kannst du was erleben!»
Als das nicht half, schickte er seine Söhne vor. Die beiden älteren kamen pflichtschuldigst, und Garsende ließ sich dazu überreden, im Torhaus mit ihnen zu sprechen, mehr aber auch nicht. Danielle, die dabeistand, fand, dass sie genauso rotgesichtig, stiernackig und brutal wie ihr Vater aussahen. Sie zeigten auch keine besondere Anteilnahme. Der Jüngste dagegen – der etwa dreizehn sein musste, war ein charmanter kleiner Halunke, blond und hübsch anzuschauen. Er legte sich gewaltig ins Zeug, umarmte seine Mutter, küsste sie und schmeichelte ihr, bis sie fast nachgegeben hätte. Danielle vermutete, dass der Alte ihm eine Belohnung versprochen hatte, wenn er die Mutter nur nach Hause lockte. Aber Garsende blieb.
Endlich kam Abbé Grégoire und verlangte nochmals eine Aussprache zwischen Mann und Frau. Die konnte man ihnen nicht verwehren.
Maudru musterte verächtlich das schmucklose grobe Wollkleid, das seine Frau trug: «Ich kenne dich gar nicht wieder, Garsende! Unsere Leibeigenen sind besser gekleidet als du», sagte er in abfälligem Ton, «willst du
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