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Die Ketzerbibel

Die Ketzerbibel

Titel: Die Ketzerbibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Klee
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Sägen, Hammerschläge und andere Geräusche eifriger Bautätigkeit.
    Die ganze Stadt war eine einzige große Baustelle.
    «Ich wünschte, es wäre schon fertig!», seufzte seine Heiligkeit. «Ihr habt es gut. Aix ist schön und alles steht schon so, wie man es haben will.»
    Clemens war vor dem Baulärm geflüchtet und wohnte im örtlichen Dominikanerkloster statt im Bischofspalast.
    «Nun, das war ja zu erwarten. Ihr habt einen gewaltigen Strom umgeleitet! Die Welt folgt dem Heiligen Vater. Roms Handelswege trocknen aus. Alles sieht auf Avignon.»
    Erzbischof Rostan de Noves lächelte nachsichtig über die Klagen und schlechte Laune seines Begleiters. Er war ein kleiner alter Herr, so mild und freundlich wie eine getrocknete Pflaume.
    «Ja», ereiferte sich Clemens, «und die Römer schreiben täglich Bittbriefe und Drohungen. Sie fordern meine Anwesenheit, als hätten sie ein Recht darauf!»
    «Nun, sollen sie schreiben. Hier seid Ihr ihrem Drängen und ihren ständigen, unverschämten Forderungen entzogen», erwiderte Rostan.
    «Dafür aber denen Philippes ausgesetzt. Der König ist ein anspruchsvoller Freund, mein lieber Rostan! Kaum habe ich ihm die Templer ausgeliefert, schon schreien seine Beamten nach neuen Opfern und Zugeständnissen. Und auf der anderen Seite zehren die Abweichler und Ketzer an der Kraft der Mutter Kirche. Meine Schwierigkeiten sind wie ein Drache: Schlägt man ein Haupt ab, erheben sich sieben neue! Jetzt werden sogar schon die Weiber aufsässig!», schimpfte Clemens.
    «Ihr meint die Beginen? Ach, das sind doch nur harmlose fromme Frauen, die in den Städten sogar viel Gutes tun», warf der Erzbischof ein. «Und falls ihr auf Marguerite Porete anspielt, so denke ich immer noch, dass sie falsch verstanden wurde.»
    «Sie hat den Menschen einreden wollen, dass sie der Vermittlung der Kirche nicht bedürfen und aus eigener Kraft eins mit Gott werden können, das ist eine Anmaßung!»
    «Aber doch nur durch eine so übermächtige Disziplin und Liebe, die nur sehr wenige aufbringen, und die höchste und letzte Stufe erreicht man erst nach dem Tod. Nichts anderes sagen wir doch auch.»
    «Aber die Menschen werden die Porete missverstehen! Ihr wisst doch, wie sie sind: Sie lesen nur heraus, was ihnen gut gefällt. Dass ihre Seele frei werden kann ohne die Vermittlung des Klerus. Und den Abschnitt mit der Disziplin, den übersehen und vergessen sie dann gern. Sie sind wie Schafe ohne Schäfer: rennen drauflos, wohin es ihnen gutdünktund fallen in die nächste Schlucht oder verirren sich und verhungern kläglich. Sie fressen drauflos, was ihnen vor das Maul kommt, am liebsten das, was süß und saftig schmeckt. Hinterher, wenn sie sich mit Luzerne vollgeschlagen haben, dann geht es ihnen schlecht. Nein, nein! Es kann nicht erlaubt werden, dass Laien die Schrift nach ihrem Belieben auslegen und Verwirrung schaffen. Ihr wisst so gut wie ich, wohin das führt. Wir haben an der Porete ein Exempel statuiert, statuieren müssen, weil sie uneinsichtig war. Ich hätte es lieber gesehen, sie hätte widerrufen. Und kürzlich diese Sache in Toulouse! Man wird eine Lösung finden müssen für alle diese Semireligiösen und Freigeistigen.»
    «Beginen, Beginen   …» Der Bischof blickte nach oben und zupfte sich nachdenklich an der Nase. «Ah, ja! Da fällt mir ein, ich erhalte immer wieder Briefe von einem Priester aus Pertuis. Er beklagt sich über ein Beginenhaus in dieser Stadt. Er hat damit bereits den Bischof von Apt belästigt, der die Klagen überprüfen und als unberechtigt verwerfen ließ. Aber dieser Priester will sich damit nicht zufriedengeben.»
    «Ich weiß von der Sache», antwortete Clemens, «Pertuis ist mein persönlicher Besitz. Und dieser Abbé Grégoire hat sich direkt an mich gewandt, weil weder der Bischof von Apt noch Ihr, mein Freund, etwas in der Sache unternehmen wollt.»
    Rostan de Noves schaute unbehaglich drein. «Es war wirklich unnötig, Euch mit solchen Kleinigkeiten zu belästigen. Ich sage Euch doch, diese Beginen sind ganz harmlos. Sie wohnen in einem festen Haus. Sie ziehen nicht herum und betteln. Sie besuchen die Kirche und arbeiten für ihren Lebensunterhalt.»
    «Sie maßen sich an, klösterliche Tracht zu tragen und sind doch keine Nonnen!» Papst Clemens   V. zog aus seinem Ärmel einen zerknitterten und oft gelesenen Brief hervor: «Hier,er schreibt: ‹Sie leisten Krankendienste und Totenwachen und geben Tröstungen und nehmen Geld dafür an.›»
    «Mir

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