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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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auch nicht gerade die sittsamste Jungfer gewesen.«
    Ernsts abschätzige Bemerkung verbarg, dass er sich durchaus Gedanken um Rosi machte. Noch wusste er nicht, was er tun konnte, damit die Magd einer Strafe entging. Er konnte sie natürlich gehen lassen, damit sie früh genug in das Haus ihres Brotherrn zurückkehren konnte. Doch sie war ein ausnehmend hübsches Mädchen mit einer leicht untersetzten Figur, einem angenehm gerundeten Hinterteil, einem prachtvollen Busen und einem Gesicht, um das viele der besseren Bürgerstöchter sie beneiden mochten. Außerdem war er kein Klosterbruder, der Enthaltsamkeit geschworen hatte – zumal ein solcher sich allzu oft auch nicht an sein Gott gegebenes Versprechen hielt.
    Einen Augenblick erwog er, statt weiter mit Rosi zu tändeln, ins Frauenhaus am Sendlinger Tor zu gehen und sich mit einer der Dirnen zu vergnügen. Doch er verwarf den Gedanken sogleich wieder. Die meisten Frauen dort mochten sauber sein, aber ein Mann konnte sich dennoch die aus Frankreich kommenden Hurenblattern bei ihnen holen. Wegen dieser Krankheit war es erst vor wenigen Jahren zu einem Aufruhr der Handwerksburschen gekommen. Zwar achtete der neue Frauenmeister sorgfältiger auf die Gesundheit seiner Schützlinge als sein Vorgänger, doch Ernst widerstrebte es, der Vierte oder Fünfte zu sein, der die Hure an diesem Tag bestieg.
    Noch während er darüber nachsann, fiel ihm ein Betrunkener auf. »Schau mal! Ist das da drüben nicht der Hausknecht deines Herrn?«, fragte er Rosi leise.
    Diese nickte mit angespannter Miene. »Lass uns rasch weitergehen. Wenn der Kerl einen über den Durst getrunken hat, wird er zudringlich, und ich habe keine Lust, mich von ihm in irgendeinen Winkel ziehen und rammeln zu lassen.« Sie warf Ernst einen flehentlichen Blick zu. »Könnt Ihr, Herr Ernst, denn nicht Euren Vater fragen, ob er mich als Dienstmagd in sein Haus nehmen will? Ich wäre viel lieber bei Euch als bei meiner jetzigen Herrschaft.«
    Da ihr dieses Thema am meisten auf dem Herzen lag, sprach sie ihn wieder so an, wie es sich in den Augen der Bürger gehörte.
    Ernst hätte ihr diesen Gefallen gerne getan, doch er wusste nur zu gut, dass er dem Vater keine Magd empfehlen durfte. Das Ergebnis würde eine Standpauke sein und der Rat, wie jeder vernünftige junge Mann ins Frauenhaus zu gehen oder sich in Enthaltsamkeit zu üben.
    »Ich glaube nicht, dass mein Vater darauf eingehen würde«, sagte er bedauernd. »Aber ich halte die Ohren offen, ob ich etwas höre, womit ich dir helfen kann. Mancher brave Witwer unter den Handwerksleuten sucht eine zweite Frau, die sich um seine Kinder kümmert und ihm auch ein wenig Freude im Bett bereitet.«
    »Die suchen vor allem Frauen mit Geld«, antwortete Rosi seufzend.
    Als Portikus angesprochen wurde und nicht mehr auf sie achtete, fasste Ernst sie bei der Hand und zog sie in Richtung Färbergraben. Dort bogen die beiden ins Hirschbräugässel ab und erreichten schließlich den Hintereingang des Rickinger-Anwesens. Da die meisten Menschen sich am Schrannenplatz und dessen Umgebung versammelt hatten, wagte Ernst das Grundstück zu betreten und auf den Stall zuzugehen. Doch als er sich noch einmal umsah, entdeckte er in der Nähe einen jungen Mann, der ihm verstohlen zuwinkte. Kurz entschlossen versetzte er Rosi einen leichten Klaps auf das Hinterteil. »Steig du schon mal auf den Heuboden. Ich komme gleich nach.«
    Verwundert blickte die Magd ihn an, gehorchte aber, ohne zu protestieren. Ernst eilte noch einmal auf die Gasse hinaus, auf der ihn der junge Mann erleichtert begrüßte. »Gott sei Dank treffe ich dich gleich hier! Ich habe neue Schriften dabei. Diesmal stammen sie von ihm selbst.«
    Ernsts Augen leuchteten auf. »Von Doktor Martinus Luther persönlich?«
    »Unser Freund Christoph Langenmantel hat sie mir in Augsburg überreicht mit dem Auftrag, sie nach München zu schmuggeln und dir anzuvertrauen. Aber es wird immer schwieriger, so ein Päckchen unbemerkt in die Stadt zu bringen. Portikus’ Wachhunde schnüffeln überall herum, und wenn die mir auf die Spur kommen, wird es mir übel ergehen.«
    »Aber mein Guter! Bis jetzt haben wir den Pfaffen immer noch an der Nase herumgeführt«, gab Ernst auflachend zurück.
    »Du bist ein Tollkopf! Diese Kröte wartet doch nur darauf, dir eins auszuwischen. Vielleicht solltest du dich eines achtsameren Lebenswandels befleißigen.« Korbinian Echle, der Augsburger Frächter und Ratsbote, war ehrlich um seinen

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