Die Ketzerbraut. Roman
Veva Mitleid mit Rosi empfand. Aber das machte es ihm leichter, der Magd unter die Arme zu greifen. »Nun«, meinte er gedehnt. »Wenn du es wünschst, werde ich mich des guten Mannes annehmen. Ich könnte jemanden brauchen, der den Schriftverkehr für mich führt!«
»Wieso? Willst du etwa auf Reisen gehen?«, fragte Veva zuckersüß.
Ernst wand sich wie ein Aal, nickte dann aber. »Es steht noch nicht fest, und es ist auch nicht so, dass ich selbst danach strebe. Doch Jakob Fugger will mich zuerst nach Ungarn schicken und später nach Italien, um einiges für ihn zu erledigen, aber vor allem auch, um zu lernen. Ich werde mich beeilen, rasch zurückzukommen.«
Als Veva klein gewesen war, hatte ihr Vater die für den Handel notwendigen Geschäftsreisen noch selbst unternommen und war manchmal ein halbes Jahr lang ausgeblieben. Daher legte sie sich jetzt die Hände vorsichtig auf den Leib und verbiss sich ein Lachen. Wenn Ernst es genauso hielt, würde ihn bei seiner Rückkehr eine Überraschung erwarten. Doch sie verriet ihm nichts. »Es freut mich, dass du Rosis Mann in deine Dienste nehmen willst. Sie hat ein schweres Schicksal erlitten und Besseres verdient, als in einem einzigen Zimmer zu leben, in dem sie mit dem Feuerholz sparen muss.«
»Du hast also nichts dagegen, wenn ich auf Reisen gehe?«, fragte Ernst gespannt.
»Natürlich nicht! Es ist doch dein Gewerbe, Handel zu treiben, und da musst du andere Orte aufsuchen.«
Ernst wunderte sich nicht wenig, denn die Frauen verheirateter Bekannter und Handelspartner seines Vaters hatten die Abwesenheit ihrer Männer oft lautstark beklagt. Dann aber sagte er sich, dass Veva als Tochter eines Kaufmanns wusste, welche Pflichten einen solchen erwarteten. So gesehen konnte er mit seiner Heirat sehr zufrieden sein.
Dabei fiel ihm etwas ein. »Wen hat Rosi eigentlich geheiratet? Ist es jemand aus unserer Münchner Kirchengemeinde?«
»Es handelt sich um den früheren Pater Hilarius. Um sie zu heiraten, hat er seinem geistlichen Stand entsagt, und er war sogar bereit, für sie Herzog Wilhelm die Stirn zu bieten. Ihretwegen ist er aus dem Herzogtum verbannt worden.«
»Hilarius? Dieser geile Bock?« Ernst verschluckte sich. Der frühere Priester war nicht gerade der Mann, dem er die Sorge um seine Frau und die Geschäfte übertragen mochte. Doch wenn er etwas für Rosi tun wollte, würde ihm nichts anderes übrigbleiben, als den Kerl als Schreiber einzustellen.
»Ich werde mir Hilarius ansehen und ihm auf den Zahn fühlen. Da fällt mir noch etwas ein: Du hast doch für deinen Vater die Briefe geschrieben. Könntest du das nicht auch für mich tun?«
Zu anderen Zeiten hätte Veva sich über diese Worte gefreut, doch nun nahm sie an, Ernst hätte ihr den Vorschlag nur gemacht, um Hilarius nicht anstellen zu müssen. Beinahe hätte sie ihm geantwortet, es wäre ihr neben der Führung des neuen Haushalts zu viel. Dagegen aber rebellierte ihr Stolz.
»Natürlich kann ich das. Aber wir benötigen jemanden, der die Knechte anleitet und überwacht.«
Ernst blickte sie ein paar Augenblicke lang an, als wolle er in ihrem Kopf lesen. Dann nickte er. »So könnte es gehen. Der Handel deines Vaters, der über Augsburg läuft, ist zwar noch gering, aber er trägt bereits Früchte. Deswegen will dein Vater ihn ausweiten. Es ist also notwendig, dass du hier die Zügel in der Hand hältst. Wenn ich unterwegs bin und du Probleme bekommen solltest, kannst du jederzeit zu Herrn Fugger gehen und ihn fragen.«
Da ist er wieder, der unerschütterliche Glaube an die männliche Überlegenheit, dachte Veva. Wohl hatte Gott den Mann zuerst geschaffen und zum Oberhaupt der Familie gemacht, ihm aber das Weib als Gefährtin zugegeben und nicht als Magd. Von einem unterschiedlichen Verstand war ebenfalls nicht die Rede gewesen. Aus München kannte sie Männer, die weitaus dümmer waren als die meisten Frauen, aber auch Weiber, die nicht einmal den vielgerühmten Hausverstand besaßen. In ihren Augen war dies ein klares Zeichen dafür, dass Gott keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern gemacht hatte. Das wäre auch nicht sinnvoll gewesen, da das Weib die Stütze ihres Mannes sein sollte.
Obwohl alles in ihr danach schrie, Ernst ein paar deutliche Worte an den Kopf zu werfen, entschied sie, dass es klüger wäre, zu schweigen. Daher lächelte sie und versicherte ihm, Jakob Fuggers Rat gerne einzuholen.
Sie stand auf, wusch das Geschirr ab und stellte die Schüsseln und Töpfe weg.
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