Die Ketzerbraut. Roman
habe ich Angst, dass er nicht mehr aufkommen wird.«
Cilli schlug erschrocken das Kreuz. »Lieber Herr Jesus im Himmel, lass das nicht zu!«
»Es täte mich freuen, wenn Christus dich erhört. Aber ich habe mit dem Arzt geredet. Viel Hoffnung, sagt er, hat er nicht mehr. Dafür ist das Fieber zu stark und die Lunge zu schwach. Der Herr kriegt den Schleim trotz aller Kräuterdämpfe, die ihm die Kreszenz angeraten hat, nicht mehr heraus. Ich frage mich, ob wir nicht besser der Veva Bescheid sagen sollten.«
»Der Herr hat’s ausdrücklich verboten«, wandte die Köchin ein.
»Das weiß ich! Aber damals ist er noch nicht so krank gewesen. Außerdem gefällt mir nicht, dass der alte Rickinger seine Geschäfte führt. Seit der die Bäckerin geheiratet hat, trau ich ihm nicht mehr.« Der Schwab sah Cilli eindringlich an. »Wir müssen die Veva zurückholen!«
»Schreibst du den Brief an sie?« Die Köchin lachte, denn der Knecht konnte ebenso wenig lesen und schreiben wie sie selbst.
»Mir fällt schon was ein. Ich werde mich umhören, wann der Augsburger Ratsbote wieder in der Stadt erwartet wird. Der Echle ist doch ein Freund vom Ernst. Ihm brauche ich es nur zu sagen, dass die Veva kommen soll. Sonst lass ich halt von einem Schreiber einen Brief aufsetzen. So viel kostet das auch nicht!«
Cilli sah den Knecht bewundernd an. »Du weißt dir immer zu helfen!«
»Das muss auch so sein!« Der Schwab grinste und fragte, ob sie nicht einen kleinen Bissen für zwischendurch hätte.
Mit einem Wurstzipfel gestärkt machte er sich kurz darauf auf den Weg, jemanden zu suchen, der seine Botschaft nach Augsburg tragen konnte. Cilli aber stieg in die Kammer des Hausherrn hinauf, um nach dem Kranken zu sehen. Dort blickte sie bekümmert auf ihren Herrn hinab und sagte sich, dass der Schwab wohl recht hatte. Lange würde Bartholomäus Leibert es nicht mehr machen. Es blieb nur zu hoffen, dass Veva rechtzeitig zurückkehrte, um von ihrem Vater Abschied zu nehmen.
Da der Kranke sich nicht rührte, wollte sie schon wieder gehen. Da schlug Leibert plötzlich die Augen auf und sprach sie an. »Cilli, gib mir etwas zu trinken. Ich verbrenne innerlich.«
Sofort eilte die Köchin zum Kachelofen, auf dessen Rand ein Krug Kamillensud warm gehalten wurde, und goss einen Becher ein. »Das wird Euch guttun, Herr, sagt die alte Kreszenz.«
Leibert trank gierig, sank dann wieder auf das Kissen zurück und schüttelte den Kopf. »Mit tut nichts mehr gut, nur noch die heilige Ölung und dann die Erlösung durch den Tod.«
»Jesus, Maria und Josef! Das dürft Ihr nicht sagen!« Cilli machte das Kreuzzeichen und fragte Leibert dann, wie sie ihm helfen könnte.
»Hole mir Papier, Tinte und eine Schreibfeder. Ich muss einen Brief an Ernst schreiben. Ich hätte es längst tun sollen, aber das Fieber hat mich zu rasch gepackt!« Noch während er es sagte, erlitt der Kranke einen Hustenanfall, der nicht enden wollte. Cilli reichte ihm rasch ein Tuch, das er sich vor den Mund hielt. Als der Anfall ausgestanden war, wies der Lappen Blutflecken auf.
»Mach schon! Bring das Schreibzeug«, sagte Leibert mit schwacher Stimme, während er stumm Jesus Christus und die Heilige Jungfrau anflehte, ihm wenigstens noch die Zeit zu lassen, diesen Brief zu schreiben. Doch als sein Blick unwillkürlich zur Tür glitt, glaubte er dort bereits einen dunklen Schatten zu sehen.
»Nein, noch nicht!«, stöhnte er.
»Soll ich das Schreibzeug also nicht bringen?«, fragte Cilli verwundert.
»Doch! Und hol mir das Tablett, mit dem du mir immer das Essen hochgebracht hast. Ich brauche es als Schreibunterlage. Mein Schreibpult werde ich wohl nie mehr benützen können. Und jetzt beeile dich!« Bei den letzten Worten klang Leibert beinahe wieder so kraftvoll wie früher.
Gegen ihre eigene Überzeugung hoffte Cilli, ihr Herr würde sich doch noch erholen. Immerhin war er zum ersten Mal seit Tagen wieder bei klarem Verstand. Daher eilte sie die Treppe so rasch nach unten, dass sie beinahe ausgerutscht und gestürzt wäre.
»Nimm dich in Acht!«, rief sie sich selbst zur Ordnung. »Mit einem gebrochenen Bein oder gar Genick hilfst du dem Herrn auch nicht weiter.« In der Küche ergriff sie das Tablett und schoss die Treppe hoch.
»Du musst mir noch ein paar Kissen in den Rücken stopfen, damit ich sitzen kann«, befahl der Kranke.
Obwohl Cilli eine kräftig gebaute Frau war, kostete es sie erhebliche Mühe, Leiberts Wunsch zu erfüllen.
Endlich saß er aufrecht im
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