Die Ketzerbraut. Roman
Nis erklärte, er habe genau aufgepasst und den Männern gesagt, was sie tun müssten. Veva lächelte ein wenig über seine Begeisterung und zerzauste ihm das Haar.
»Wenn wir dich nicht hätten. Gut gemacht!« Ihr Lob galt zwar mehr den Handwerkern als dem Jungen, doch der bezog es auf sich und lächelte breit.
»Das Haus wird bald fertig sein. Der Schreiner hat heute schon die Betten im Schlafgemach ausgemessen. In zwei Wochen, sagt er, wird er sie bringen.« Nis sah treuherzig zu Veva auf. »Der Schreiner hat auch ein Bett für das Kämmerchen neben der Haustür ausgemessen. Dort würde ich gerne schlafen. Wenn es Euch recht ist, heißt das.«
»Warum sollte es Ernst und mir nicht recht sein?« Veva wusste, dass die Eltern des Jungen kaum genug Platz für sich und die jüngeren Kinder hatten und froh sein würden, wenn ihr Ältester aus dem Haus war. Doch ihnen fehlte das Geld, um ihn als Lehrling zu einem Meister zu geben, und so würde er als Dienstbote arbeiten müssen. Da er aufgeweckt war, überlegte Veva, ob sie ihm nicht Lesen und Schreiben beibringen sollte, damit er ihren Mann später in den Handelsgeschäften unterstützen konnte. Ein fähiger Kommis war Gold wert. Außerdem mochte sie den Jungen.
Nis grinste fröhlich und hüpfte in dem bereits düster werdenden Raum herum. Dabei kam er einem Eimer zu nahe, stolperte und fiel unter dem Gelächter der Handwerker hin. Er raffte sich jedoch sofort wieder auf und rieb sich das angeschlagene Schienbein.
»Hast du dir weh getan?«, fragte Veva.
»Ach wo!«, antwortete Nis nicht ganz wahrheitsgetreu. »Das vergeht wieder.«
»Wenn du willst, kannst du zum Abendessen mitkommen. Es gibt Linsensuppe mit Leberwurst«, bot Veva an.
»Das würde ich mir an deiner Stelle nicht entgehen lassen«, rief der Ofensetzer Nis zu.
»Das tu ich auch nicht!« Nis lachte schon wieder und begann, den Raum ein wenig aufzuräumen.
»Sonst fällt die Herrin noch hin und tut sich weh«, erklärte er.
»So wie du eben!«, spottete der Schreinermeister und wandte sich Veva zu. »Morgen werden wir mit der großen Kammer fertig und können in Eurem Zimmer weitermachen.«
»Tut das!« Veva reichte nun jedem der Handwerker ein kleines Trinkgeld und wartete an der Tür, bis sie das Haus verlassen hatten. Dann nahm sie eine Laterne und ging noch einmal durch alle Räume. Es war schon jetzt zu erkennen, dass das Haus sowohl wohnlich als auch so repräsentativ werden würde, wie es sich für einen jungen, aufstrebenden Fernkaufmann gehörte. Zufrieden kehrte sie zum Eingang zurück, schlug die Vordertür zu und reichte Nis den Schlüssel.
»Du wirst morgen den Handwerkern aufsperren. Vergiss es aber ja nicht, sonst …« Sie deutete mit der Hand ein paar Ohrfeigen an.
Nis steckte den Schlüssel in seinen Gürtel, schlang den Überwurf um sich, mit dem er sich gegen die Winterkälte schützte, und blickte sie vorwurfsvoll an. »Ich werde rechtzeitig zur Stelle sein!«
»Wollen wir’s hoffen! Geh du schon vor. Ich hole noch meinen Mann ab.« Mit diesem Worten wandte Veva sich in die Richtung, in der Jakob Fuggers prachtvolles Palais lag.
Nis trabte zur Fuggerei und begann dort ein längeres Gespräch mit dem Pförtner, um herauszufinden, ob seine Familie nicht auch die Möglichkeit hätte, eine Wohnung in der Armensiedlung zu beziehen.
Unterdessen erreichte Veva das prunkvolle Domizil des fürstlichen Handelsherrn und schlug den Türklopfer an.
Der Pförtner ließ sie so schnell ein, als habe er sie kommen sehen. »Gott zum Gruß, Frau Rickingerin. Euer Mann wird gleich kommen!«
Dann zog er sich in seine Kammer zurück und ließ sie im Vorraum stehen.
Veva ging ein paar Schritte in die Eingangshalle hinein, vernahm dann von oben Jakob Fuggers Stimme und die ihres Mannes und wollte die Treppe hinaufsteigen. Doch nach wenigen Stufen hielt sie inne. Die Männer sprachen über Geschäfte, und da wollte sie nicht stören.
»Du machst deine Sache gut, Rickinger. Ich werde dich bald auf Reisen schicken, damit du siehst, wie es in anderen Teilen der Welt zugeht. Kontrolliere einige Bergwerke für mich und sieh dir dann Venedig und die Lombardei an«, sagte Fugger gerade.
Das versetzte Veva einen Stich. Wenn Ernst auf Reisen war, würde er vielleicht die Gelegenheit nutzen, anderen Frauen unter die Röcke zu schauen. Sie versuchte, sich einzureden, dass sie nicht eifersüchtig sei, doch im Grunde war sie es sogar auf Rosi gewesen. Um nicht als Lauscherin ertappt zu werden,
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