Die Ketzerbraut. Roman
Bett, hatte sich das Tablett auf die Oberschenkel gelegt und griff mit zittrigen Fingern nach dem Papierbogen. Er sah so elend aus, dass Cilli sich wünschte, schreiben zu können. In dem Fall hätte er den Brief nur diktieren müssen. Um ihn nicht weiter zu stören, stellte sie ihm einen vollen Becher Kamillensud auf das kleine Schränkchen neben dem Bett und zog sich leise zurück.
Bartholomäus Leibert starrte auf das Blatt und versuchte seine Gedanken zu ordnen. Das Schreiben fiel ihm schwer, und seine Schrift sah aus, als hätte er ein Insekt mit den Füßen ins Tintenfass gesteckt und über das Papier laufen lassen. Nur mit Mühe gelang es ihm, die Worte so zu setzen, dass sie auch lesbar waren.
»Mein lieber Schwiegersohn«, begann er. »Es gefällt Gott, dem Allmächtigen, mich von dieser Welt abzuberufen. Doch bevor ich aus diesem Leben scheide, will ich dir etwas mitteilen, das mir wie eine schwere Last auf dem Herzen liegt.«
Die Kraft drohte ihn zu verlassen, und er musste eine Pause einlegen. Der Kopf sank nach hinten, und für eine gewisse Zeit sah er nur graue Wände um sich. Erst die Glocken von Sankt Peter weckten ihn wieder aus seiner Starre, und er wollte weiterschrieben. Die Tinte in der Feder war jedoch eingetrocknet, und er musste sie wieder ins Fass tauchen.
»Es geht um den Haselegner. Da ist zum einen eine alte Sache, von der ich vor ein paar Jahren erfahren habe. Außerdem geht mir mein Bartl nicht aus dem Sinn. Ich …« Leiberts Hand stockte erneut. Er sah, wie um ihn herum alles dunkel wurde, und wehrte sich verzweifelt dagegen, erneut wegzudämmern. Doch seine Kraft war verbraucht, und er spürte, dass er diesen letzten Brief, der ihm so am Herzen lag, nicht mehr zu Ende würde schreiben können. Bis zuletzt versuchte er, sich gegen den schwarzen Schnitter zu wehren, um Ernst wenigstens das Wichtigste mitzuteilen. Doch statt der Buchstaben zog sich nur noch eine Linie über das Papier, die im Bogen nach unten verlief. Dann entfiel die Feder der schlaff werdenden Hand.
Als Cilli kurz darauf wieder in seine Kammer schaute, sah sie einen Toten vor sich. Ein paar Atemzüge lang starrte sie entsetzt auf ihren Herrn. Dann raffte sie sich auf, rief das restliche Gesinde zusammen und scheuchte die Leute herum, einen Priester zu holen und auch Eustachius Rickinger, der als bester Freund und Verwandter des toten Hausherrn die Verantwortung über den nun herrenlosen Haushalt übernehmen musste.
8.
V eva war wieder in ihrem neuen Haus, als Korbinian Echle abgehetzt an die Tür klopfte. Er war zunächst zur Fuggerei gelaufen, hatte sie dort aber nicht angetroffen. Von den Ratschlägen der Nachbarn geleitet, war es ein Leichtes gewesen, ihr neues Domizil zu finden.
Jetzt nahm er seinen Hut in die Hand und wagte es nicht, Veva in die Augen zu sehen. »Ich habe eine schlimme Nachricht für Euch, Rickingerin«, begann er mit leiser Stimme und reichte ihr einen Brief.
Vevas Herz krampfte sich zusammen. »Mein Vater! Ist er krank?«
»Es hat unserem Herrn Jesus Christus gefallen, ihn in die Schar seiner Engel aufzunehmen!«
»Er ist tot!« Veva stiegen die Tränen in die Augen, und sie fühlte sich so elend wie damals, als ihr Zwillingsbruder sein Leben im Straßenstaub ausgehaucht hatte.
»Mein Beileid, Rickingerin! Euer Vater war ein guter Mann. Wie oft habe ich Waren oder Botschaften für ihn gefahren! Er hat sich nie beschwert, sondern mir immer reichlich Trinkgeld gegeben.«
»Das sollst du jetzt auch bekommen!« Obwohl ihr die Tränen über die Wangen liefen, löste Veva ihren Geldbeutel vom Gürtel, öffnete ihn und griff wahllos hinein. Als sie Echle die Münze reichte, glänzte es golden.
»Das ist viel zu viel!«, sagte er und wollte ihr das Goldstück zurückgeben.
»Nimm es als Dankeschön meines Vaters für den letzten Dienst, den du ihm erwiesen hast.« Veva rieb sich mit dem Ärmel über die Augen und wünschte sich, allein zu sein. Mühsam drehte sie sich zu Nis um, der mit hängenden Schultern hinter ihr stand und sie mitleidig ansah.
»Kümmerst du dich weiter um die Handwerker und besorgst ihnen, was sie brauchen?«
Der Junge begriff, dass er sonst nichts für sie tun konnte, und nickte. »Ich gebe schon acht, Herrin. Darauf könnt Ihr Euch verlassen.«
»Vergelt’s Gott!«, sagte Veva und ging.
Nis blickte ihr kurz nach und drehte sich dann zu den Handwerkern um. »Macht ihr inzwischen weiter. Ich laufe schnell zu Fuggers Haus, um meinem Herrn Bescheid zu sagen. Die
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