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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Glieder biss, ließ ihn jedoch rasch begreifen, dass dies die Wirklichkeit war. Da er immer noch nicht auf die Beine kam, kroch er zu der Kleidung des Toten hin und zog sie nach kurzem Zögern an. Beim Anblick des noch frischen Blutes schauderte es ihn, doch wenn er nicht erfrieren wollte, blieb ihm keine andere Wahl, als sich in die Lumpen zu hüllen, die der Tote wohl schon seit Wochen getragen haben musste. Dann rutschte er zu der Strohschütte, auf die man ihn zuerst gelegt hatte, kroch hinein und zog zusätzlich noch den Sack über sich.
    Als er mit immer noch klappernden Zähnen dalag, sehnte er sich nach Vevas anschmiegsamem Körper und mehr noch nach ihrer fürsorglichen Art und spürte, dass ihm wieder die Tränen über die Wangen liefen.

22.
    A ls Benedikt Haselegner von einem Gefolgsmann Giggings erfuhr, dass Ernst Rickinger tot sei, hätte er am liebsten die ganze Welt umarmt. Bevor der Weg zu Veva und deren Erbe endgültig frei für ihn war, galt es jedoch, noch ein letztes Hindernis aus der Welt zu schaffen, und das war seine Frau.
    Johanna saß auf ihrem Stuhl und bestickte ein Altartuch, das sie ihrer Pfarrkirche stiften wollte. Mit hämisch verzogenem Mund dachte er, dass dieses Altartuch wohl unvollendet bleiben würde. Ohne ein Wort mit ihr zu wechseln, verließ er die Räume, die ihr Schwiegervater ihnen in einem Anbau des Hauses zur Verfügung gestellt hatte, und suchte Antscheller auf.
    Dieser beugte sich gerade über sein Rechnungsbuch und trug seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen erfreuliche Zahlen ein. Erst als er damit fertig war, bequemte er sich dazu, die Anwesenheit seines Schwiegersohns zur Kenntnis zu nehmen. »Nun, was gibt es?«
    »Verzeiht, Herr Schwiegervater, aber ich habe Botschaft aus München erhalten. Meine Anwesenheit ist dort dringend erforderlich.«
    »Du willst nach München reisen?«, fragte Antscheller verwundert nach, denn bisher hatte Haselegner sich sogar geweigert, die Stadt in seinem Auftrag aufzusuchen.
    »Es geht um meinen Besitz. Wenn ich nicht rasch erscheine und meine überfälligen Steuern bezahle, wird das Haus beschlagnahmt.«
    »Das wäre eine üble Sache«, gab Antscheller zu.
    »Ihr werdet verstehen, dass ich so rasch wie möglich aufbrechen will. Wenn Ihr gestattet, reite ich morgen früh.«
    »So bald schon?« Antscheller wollte es ihm schon untersagen, da fiel ihm ein, dass sein Schwiegersohn einige wichtige Geschäftsbriefe nach München bringen konnte, die er ungern einem Boten anvertrauen würde.
    »Also gut! Wenn du morgen abreist, wirst du einige Schreiben, die ich noch verfassen werde, mitnehmen und den Empfängern übergeben.« Mit einer Handbewegung, die Haselegner anzeigte, dass er überflüssig war, verabschiedete Antscheller ihn und nahm einen frischen Bogen Papier zur Hand.
    Haselegner kochte vor Wut über die Behandlung, die sein Schwiegervater ihm zuteilwerden ließ. Schließlich war er weder Antschellers Kommis noch sein Laufbursche. Nicht zuletzt deswegen begrüßte er es, dass ihm der Weg nach München wieder offenstand. Dort konnte er sich zuerst einmal um seine eigenen, arg vernachlässigten Geschäfte kümmern. In zwei bis drei Monaten würde er Veva heiraten und deren Vermögen mit dem seinen vereinen. Dann würde er nicht nur Antscheller, sondern auch die meisten Kaufherren Münchens an Reichtum übertreffen.
    Ohne sich seine Überlegungen anmerken zu lassen, verließ er das Kontor und suchte die Sachen zusammen, die er für die Reise brauchte. Seine Frau bemerkte es, sagte aber nichts. Wahrscheinlich ist sie froh, wenn ich fort bin, weil sie nicht mehr die Beine für mich breit machen muss, fuhr es Haselegner durch den Kopf. Ihr Beichtvater hatte ihr weisgemacht, dass jede körperliche Vereinigung, auch die mit ihrem Ehemann, eine Sünde darstellte. Nun fragte Haselegner sich, ob der Priester ein ausgemachter Schwachkopf war oder selbst bei den Frauen zum Zuge kommen wollte.
    Im Grunde war es ihm gleichgültig, denn das Problem würde sich bald lösen. Das Einzige, was im Leben wirklich zählte, sagte er sich, war Geld. Er musste nur an Jakob Fugger in Augsburg denken, der dem Kaiser auf einen einzigen Wechsel hin mehr Geld lieh, als er selbst in seinem ganzen Leben verdienen würde.
    »Ich werde mir meinen eigenen Reichtum schaffen!«, schwor Haselegner sich, ballte die Rechte zur Faust und drohte damit allen, von denen er glaubte, sie würden sich ihm in den Weg stellen.
    »Bist du böse auf meinen Vater?«, fragte seine

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