Die Ketzerbraut. Roman
eingeschlagen. Der Hauptmann will ihn lebendig.«
»Keine Sorge! Den habe ich nur ein wenig gestreichelt. Bei Sankt Petri, der Bursche ist uns wie ein Gimpel in die Falle gelaufen. Der hat wohl gedacht, hier in den Bergen gäb’s keine Räuber mehr!« Der Mann lachte, füllte die drei Lederbecher erneut mit Branntwein und reichte zwei an seine Kumpane weiter. »Auf uns, die Oberländer Bande, und auf die Beute, die wir noch machen werden!«
»Darauf trinke ich gerne«, erklärte sein Anführer und deutete auf Ernst. »Fesselt den Kerl und steckt ihn in einen Sack. Den anderen ebenfalls. Aber fesseln braucht ihr den nicht.«
»Der spürt kein Halsweh mehr!« Sepps Mörder lachte, entnahm der Truhe mehrere kurze Stricke und zwei große Säcke. Einen Teil davon warf er seinen Kumpanen zu.
Kurz darauf war Ernst fest verschnürt und verpackt. Sepps Leichnam ließen die Räuber zuerst ausbluten, damit der Sack keine verräterischen Flecken bekam, dann luden sie den Toten und den Gefangenen auf ihre Pferde und machten sich trotz des immer noch dicht fallenden Schnees auf den Weg.
»Wohin sollen wir die beiden Kerle denn schaffen?«, fragte einer der Männer den Anführer.
»Der Ritter will sie auf der Burg sehen.«
Der andere stieß einen Pfiff aus. »Zur Burg? Aber bis jetzt hat der Herr immer strikt darauf geachtet, weder Gefangene noch sperrige Beute dorthin zu bringen!«
»Da musst du ihn schon selbst fragen. Es muss ihm eine Menge Geld einbringen, denn er hat uns eine zusätzliche Belohnung versprochen, wenn wir ihm den einen Burschen lebend bringen. Und das tun wir! Mehr hat uns nicht zu interessieren.« In seinen Worten lag eine unmissverständliche Warnung.
Sepps Mörder zuckte mit den Achseln. »Unser Herr wird schon wissen, was er tut. Auf jeden Fall haben wir unsere Aufgabe erfüllt und werden unseren Lohn dafür erhalten. Darauf sollten wir noch einen trinken!«
»Du kennst den Befehl des Hauptmanns. Nie zu viel saufen! Erinnere dich daran, wie es dem Veit ergangen ist, als der sich in der Schenke in Achenkirch einen Rausch angesoffen und vor den Gästen mit seinen Taten geprahlt hat. Hätten die Leute nicht so viel Angst vor uns Oberländern, wäre er wahrscheinlich gefangen gesetzt und dem Amtmann ausgeliefert worden. Erzählt haben sie diesem aber, dass der Veit zu unserer Bande gehört. Wären wir nicht schneller gewesen als dessen Soldknechte, würden die Behörden in Tirol und in Bayern jetzt etliche von uns mit Namen kennen und wüssten, wo wir herkommen.«
Der Anführer ärgerte sich, weil der so leicht errungene Erfolg seine Kumpane zur Sorglosigkeit verleitete. Dabei war ihr Herr keiner, der einen Fehler durchgehen ließ. Er kannte nur eine Strafe – und die bestand aus scharf geschliffenem Stahl.
20.
E rnst erwachte mit heftigen Kopfschmerzen und hatte einen so schlechten Geschmack im Mund, dass es ihn würgte. Er wollte sich aufrichten, konnte aber weder Arme noch Beine bewegen. Trotz seines Brummschädels versuchte er herauszufinden, was mit ihm geschehen war. Doch in seinem Kopf drehte sich alles, und so war er schließlich geradezu erleichtert, dass er wieder wegdämmerte.
Als er erneut zu Besinnung kam, erinnerte er sich allmählich daran, dass er nach Innsbruck unterwegs gewesen und auf drei Fremde getroffen war. Im selben Augenblick sah er die Szene vor sich, in der einer der Kerle Sepp die Kehle durchschnitt. Es war so blitzschnell gegangen, als schlachte der Mann jeden Tag einen Menschen ab.
Ernst war es, als griffe eine eisige Hand nach seinem Herzen. Er hatte sich den drei Fremden angeschlossen, ohne das geringste Misstrauen zu hegen, obwohl er genug von den Räubern im Gebirge gehört hatte. Durch diesen Leichtsinn war er genauso am Tod seines Knechts schuld, als hätte er ihn eigenhändig umgebracht.
Nun machte er sich Vorwürfe, weil er einfach drauflos geritten war, anstatt zu warten, bis sich eine größere Gruppe in Richtung Innsbruck zusammengeschlossen hatte. Dann fragte er sich, weshalb er noch lebte. Immerhin hieß es von den Räubern in dieser Gegend, sie töteten jeden, der ihnen in die Hände fiel. Niemals würde er heil aus dieser Sache herauskommen. Er musste an Veva denken, die nun vergebens auf ihn warten würde. Sie hatte ihn gewarnt, allein zu reiten, aber er hatte ihren Rat in den Wind geschlagen. Nun musste sie unter seiner Unvernunft leiden.
Ihm war klar, dass man seine Witwe von allen Seiten bedrängen und versuchen würde, sie auszuplündern.
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