Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
gefällt es, solche Geständnisse zu hören. Warum hast du es mir niemals erzählt? «
» Weil… weil… er sagte doch, ich sei schlecht. Und da dachte ich, er müsse recht haben, weil er ein Mann Gottes ist. «
Adelind seufzte leise.
» Gut, du hast ihm also geglaubt. « Leider glaubte Hildegard vielen Menschen. » Aber wie konnte er dich dann dazu bringen… ich meine… ich verstehe nicht… «
» Es geschah einfach. « Hildegard hatte ihr Gesicht hinter den Handflächen verborgen. » Er fasste mich an und wollte wissen, ob es mir gefiel. Es gefiel mir nicht, aber er kümmerte sich nicht darum. Er sagte, es sei besser, ich würde es mit ihm tun, anstatt einen jungen, ahnungslosen Mann mit meinen teuflischen Reizen zu umgarnen. Es sei Gottes Wille, meinte er, dass er mir gab, wonach es mich verlangte. Als ich beteuerte, kein solches Verlangen zu haben, bezichtigte er mich der Lüge. «
Sie wälzte sich auf dem Bett herum und vergrub ihr Gesicht in dem Laken. Adelind schien ihr eigener Herzschlag so laut wie ein Trommelwirbel.
» Warum hast du es geschehen lassen? « , sagte sie und schaffte es diesmal, ihre Stimme zu bändigen, obwohl sie vor Wut um sich hätte schlagen können. » Wir alle saßen doch gleich hinter der Tür. Du hättest nur um Hilfe rufen müssen! «
Hildegard wandte ihr den Kopf zu. Aus unerfindlichen Gründen lächelte sie.
» Ich wusste nicht, dass du so dumm sein kannst, Adelind « , sagte sie leise. » Meinst du denn, Mutter Mechtildis hätte mir geglaubt? Er hätte alle Schuld auf mich geschoben, mich der Verführung bezichtigt, und ich wäre bestraft worden, weil sie ihn für einen heiligen Mann hält und mich nicht leiden kann. «
Die Worte waren wie ein Tritt in Adelinds Magen. Kurz raubten sie ihr die Luft zum Atmen, denn sie wusste, dass ihre Schwester die Wahrheit sprach. Mit zu Fäusten geballten Händen setzte sie sich wieder zu Hildegard auf das Bett.
» Jetzt müssen wir aber reden « , zischte sie. » Er kann doch nicht so einfach davonkommen, nach alldem, was er dir angetan hat. «
Sie legte ihre Hand auf Hildegards Finger und war froh, deren Druck zu spüren.
» Ich werde dir helfen « , versprach sie. » Mutter Mechtildis wird mich ernst nehmen, überlass es mir. Vater Severinus muss aus dem Kloster verschwinden, bevor er noch andere Mädchen… «
» Erinnerst du dich an Schwester Fronicka? « , unterbrach Hildegard sie erneut. Adelind dachte angestrengt nach. Eine blasse, verhuschte Novizin, die irgendwann aus dem Kloster verschwunden war, stieg in ihrer Erinnerung auf.
» Sie war immer sehr lange bei der Beichte « , erzählte Hildegard. » Ich weiß jetzt, warum. Ich glaube, sie hat darüber gesprochen. Jetzt ist sie fort. «
Adelind bohrte die Fersen in den Boden.
» Das kann tausend andere Gründe haben. «
» Ich glaube, es war dieser Grund. «
Hildegard richtete sich erneut auf. Ihr Gesicht hatte etwas Farbe bekommen, Röte schimmerte unter den blutigen Kratzern auf ihren Wangen.
» Schwester Brigitta sagt, sie kann mir Kräuter geben, damit das Kind stirbt « , meinte sie völlig ruhig. » Glaubst du, ich habe keine andere Wahl? Ich werde mich schuldig fühlen bis an mein Lebensende. Bitte, Adelind, sag mir, was ich tun soll. «
Der Druck ihrer Finger wurde stärker. Adelind zog ihre Hand spontan zurück, auch wenn sie es sogleich bereute. Es gab jetzt andere Dinge zu besprechen.
» Wir müssen erst einmal dafür sorgen, dass Vater Severinus seine verdiente Strafe erhält « , beharrte sie. » Dann sehen wir weiter. Vielleicht kannst du das Kind heimlich zur Welt bringen und dann zur Pflege geben. «
Hildegards Augen hingen an Adelinds Gesicht, vertrauensselig, aber auch dunkel vor Trauer.
» Kannst du dich an die alte Geschichte von der Nonne und dem Ritter erinnern? « , bohrte sie weiter nach. » Du weißt doch noch, unsere Amme hat sie uns erzählt, als wir noch bei unserem Vater lebten. «
Ratlos, warum Hildegard ihr nun mit solchen Nichtigkeiten kam, begann Adelind zu grübeln. Sie konnte sich nur noch unklar an die heimatliche Burg erinnern, hatte ihren Vater als lauten, furchteinflößenden, gesichtslosen Riesen im Gedächtnis, doch die faltigen Züge ihrer Amme begannen sich nach einer Weile deutlich abzuzeichnen. Die alte Frau hatte gern Geschichten erzählt. Welche davon konnte Hildegard jetzt meinen?
Als sie ihr wieder einfiel, zuckte sie entsetzt zusammen.
» Warum quälst du dich mit diesen Schauermärchen? « , fragte sie
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