Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
habe ihr etwas Geld gegeben, einen Teil dessen, was euer Vater einst dem Kloster zahlte, als es euch aufnahm. Das war sehr großmütig von mir. Und bedenke bitte, Adelind, dass es durchaus harte Strafen für Nonnen gibt, die ihr Gelübde brachen. Ich hatte Erbarmen mit deiner Schwester, indem ich keine von ihnen verhängte. «
Die Geschichte von der Nonne und dem Ritter stieg in Adelinds Erinnerung hoch. Sie stützte sich an dem Tisch ab, um nicht in die Knie zu sinken. Bisher hatte sie das Leben im Kloster als erträglich empfunden, obwohl sie manchmal von verbotenen Sehnsüchten heimgesucht wurde. Jetzt begann es sich in einen bösen Traum zu verwandeln.
» Ihr erspart ihr gnädig den Hungertod hinter Mauern « , flüsterte sie. » Doch sie ist dazu verdammt, allein im Freien zu erfrieren oder ebenfalls an Hunger zu sterben. «
» Na, na, Adelind, so schlimm muss es nicht kommen. Für eine so reizvolle Frau wie Hildegard gibt es stets Möglichkeiten zu überleben « , meinte die Äbtissin nun durchaus freundlich. » Mach dir keine Sorgen und vertraue auf Gott. Besinne dich auf deine Aufgaben hier im Kloster. Du hast bemerkenswerte Fähigkeiten, deine Gesangsstimme ist herausragend, und du bist geschickt im Unterricht mit den Novizinnen. Ich bin sehr froh, dich hier zu haben. «
Adelind schüttelte ungläubig den Kopf. Mutter Mechtildis hatte sie niemals zuvor derart gelobt. Sie schien vor etwas Angst zu haben, denn ihr Lächeln wirkte sehr gekünstelt.
» Und wenn ich nun mit ihr fortgehen will? « , sagte sie. Die Äbtissin beugte sich vor und legte beide Hände auf den Tisch.
» Du kannst nicht fort. Du hast ein Gelübde abgelegt. Im Fall deiner Schwester habe ich eine Ausnahme gemacht, und der Propst wird sie davon befreien, aber bei dir besteht hierzu kein Anlass, auch wenn dein Verhalten heute Abend durchaus Grund zu Tadel gibt. Hildegard hat das Kloster bereits verlassen. Finde dich damit ab und gehe jetzt. Wir werden gemeinsam das Komplet beten. Gott wird dir den rechten Weg weisen. «
Adelind war, als hätte sie einen Schlag ins Gesicht erhalten, aber sie schluckte alle Worte des Zorns herunter, die auf ihrer Zunge lagen. Wenn sie sich jetzt aufsässig verhielt, würde die Äbtissin sie vielleicht einsperren lassen, und mehrere Tage konnten vergehen, bis sie eine Gelegenheit fand, nach Hildegard zu suchen. Sie musste tatsächlich auf Gott vertrauen. Er würde ihr einen Weg zeigen, ihre Schwester zu finden, die von der frommen Mutter Mechtildis in ein Leben voller Sünde geschickt worden war. Ein Leben, dem Hildegard niemals gewachsen wäre.
Am nächsten Morgen klagte Adelind über heftige Kopfschmerzen und bat um die Fürsorge Schwester Brigittas. Die Äbtissin gewährte es mit einem leichten Stirnrunzeln. Adelind wurde von der Infirmaria hinausgeführt, deren Kopf gesenkt war, als wolle sie Blickkontakt bewusst vermeiden.
» Bring mich bitte in das kleine Zimmer, wo Hildegard war. Nicht zu den anderen Kranken. Ich muss allein mit dir reden « , flüsterte Adelind ihr zu, als sie den Hof überquerten. Brigitta zeigte keinerlei Reaktion, aber sie erfüllte ihren Wunsch. Nachdem Adelind sich auf das Bett gesetzt hatte, erhielt sie eine Kräuterbrühe, und ein heißes Tuch wurde auf ihre Stirn gelegt.
» Das müsste helfen « , meinte Schwester Brigitta knapp. » Und jetzt sag, was du wissen willst. Ich habe nicht viel Zeit. Die anderen Kranken warten. «
» Seit wann ist Hildegard fort? « , begann Adelind sogleich. Die Infirmaria warf ihr einen missbilligenden Blick zu.
» Sie ging gestern kurz nach der Non. Sie nahm es hin. Ich glaube, sie machte dir keine Vorwürfe, falls dir das ein Trost ist. «
Ihr Tonfall machte deutlich, dass sie selbst Adelind durchaus Vorwürfe machte.
» Ich weiß, ich hätte nicht mit der Äbtissin reden dürfen « , gab Adelind zu. » Dein Vorschlag mit den Kräutern war vernünftiger. Aber ich glaubte an Gerechtigkeit in einem Haus Gottes. «
Brigittas Brauen formten Bögen über ihren Augen.
» Du bist noch sehr jung. Lerne aus deinem Fehler. Für deine Schwester kannst du nichts mehr tun « , meinte sie ein klein wenig freundlicher.
Adelind entfernte das Tuch von ihrer Stirn, die völlig schmerzfrei war. » Bitte, du musst mir helfen. Ich will das Kloster verlassen. Ich muss zu Hildegard. Sie kommt allein da draußen niemals zurecht. «
Brigittas Gesicht bekam langsam wieder die vertrauten, weisen und nachsichtigen Züge.
» Wenn ihr gemeinsam zugrunde geht,
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