Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
ist keinem geholfen « , sagte sie.
» Wir werden nicht zugrunde gehen « , entgegnete Adelind sogleich, obwohl sie nicht die geringste Ahnung hatte, wie sie da draußen in einer unbekannten Welt würde überleben können. » Ich will an diesem Ort nicht bleiben. «
Die Infirmaria kommentierte dies nur mit einem kurzen Nicken. Sie schien keineswegs überrascht.
» Wie du möchtest, Adelind. Die Äbtissin wird mir vergeben, denn sie braucht meine Dienste. Warte, bis es dunkel wird, damit du nicht so leicht erkannt wirst. Ich habe noch Kleidung von weltlichen Frauen, die ich pflegte. Eine reiche Bürgerin aus Köln, die hier ein starkes Fieber auskurierte, wird heute Abend vor der Vesper von ihren Töchtern abgeholt. Schleiche dich unauffällig mit ihnen hinaus. «
» Ich danke dir. «
Adelind empfand Erleichterung, dass ihr Plan klare Gestalt anzunehmen begann, gleichzeitig kroch aber auch Angst in ihr hoch. Nun stand der endgültige Abschied von dem Kloster unmittelbar bevor, und sie hatte nicht einmal eine vage Vorstellung von dem Leben, das sie danach erwartete.
Schwester Brigitta hatte sich ihr gegenüber auf einem Stuhl niedergelassen, denn auf einmal schien sie willens, ein längeres Gespräch zu beginnen.
» Ich habe Hildegard den Namen meines einstigen Schwagers genannt, der in Köln ein Handelshaus besitzt. Er ist ein gutherziger Mann. Mir schenkte er damals Geld, damit ich nach dem Tod seines Bruders in dieses Kloster eintreten konnte, wie es mein Wunsch war. Ich gab ihr auch ein Schreiben für ihn mit. Ich bat ihn, sie einzustellen und vortäuschen zu lassen, dass sie eine schwangere Witwe ist. Ich glaube, das wird er tun. «
Adelind ergriff dankbar Brigittas Hand.
» Jemand, der so gütig ist wie du, sollte diesem Kloster vorstehen « , sagte sie. Brigitta lächelte.
» Dazu war es nicht genug Geld, das ich mitbrachte. Meine Herkunft ist auch nicht adelig wie die Mechtildis’. Aber darum geht es jetzt nicht, ich bin zufrieden. Doch du musst eine Sache bedenken, Adelind. Mechtildis mag dich, denn du bist geschickt und klug. Dass du deinen eigenen Willen hast, schätzt sie durchaus, obwohl sie dich dafür rügt. Sie ist ehrgeizig, was dieses Kloster betrifft, und weiß, dass Adler mehr Kraft haben als Tauben. Wenn du also fortläufst, dann kannst du nicht in Köln bleiben. Bald schon wird der Bischof wissen, dass eine Nonne vermisst wird. Du wärest nicht die Erste, die mit Gewalt wieder ins Kloster geschleppt wurde, obwohl sie bereits ein neues Leben begonnen hatte. «
Adelind, die bereits erste Hoffnungen gehegt hatte, ebenfalls im Hause von Brigittas Schwager Arbeit zu finden, begann zu frösteln. Es war alles so viel schwieriger als zunächst angenommen. Sollte sie Hildegard allein ihrem Schicksal überlassen, das vielleicht so hart nicht wäre? Wenn die Schwester in Köln eine bezahlte Anstellung fand, ja, dank ihrer wirklich liebreizenden Gestalt gar eines Tages einen Ehemann für sich gewinnen könnte, dann wäre ein Wiedersehen zwischen ihnen irgendwann möglich. Ein Bild von sanften, durchaus angenehmen Farben entstand in Adelinds Kopf. Nur leider passte Hildegard so ganz und gar nicht hinein.
» Meine Schwester ist handwerklich völlig ungeschickt, und zur Hausarbeit taugt sie auch nicht. Körperliche Anstrengung macht sie schnell krank « , sprach sie ihre Bedenken aus. » Welche Art von Anstellung kann dein Schwager ihr geben? «
Brigitta seufzte.
» Das weiß ich auch nicht. Mir fiel keine andere Möglichkeit ein, ihr zu helfen. Sie wird sich irgendwie durchbeißen müssen. In den meisten Menschen steckt mehr Kraft, als man zunächst annimmt. «
Adelind krallte ihre Finger in das bleiche Laken. Kurz hatte sie geglaubt, in ihrem gewohnten, sicheren Leben bleiben zu können, aber es gab keinen anderen Weg. Hildegard war ohne ihren Beistand völlig verloren.
Sie durfte in dem Krankenzimmer ausharren, bis es draußen zu dämmern begann. Dann brachte Brigitta ein Bündel herein, in dem sich ein Rock aus brauner Wolle, eine schmutzig graue Tunika und eine warme Decke befanden.
» Darin wirst du wie eine gewöhnliche Magd aussehen « , meinte sie nur. » Behalte den Schleier auf dem Kopf. Verheiratete Frauen tragen das auch, und niemand sollte dein kahlgeschorenes Haupt sehen. Die Wollstrümpfe wirst du bei dem Wetter auch brauchen. «
Adelind nickte. Dann sah sie, wie Brigitta ihr noch einen kleinen, klimpernden Beutel entgegenhielt.
» Das ist meine Entlohnung dafür, dass ich die
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