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Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)

Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Aufstehen zu helfen, doch sosehr sie auch an den dünnen Armen zerrten, Ursanne rührte sich nicht mehr. Adelind wurde schwarz vor Augen. Olivette brach in lautes Schluchzen aus, während Mabile sie alle an den Schultern zog.
    » Wir müssen trotzdem weiter « , drängte sie. » Bitte, seht doch ein, es geht nicht anders. Samuel und ich können sie tragen. «
    Der Junge beugte sich zu Ursanne, legte kurz ein Ohr auf ihre Brust und schüttelte dann leicht den Kopf, um zu bestätigen, was sie bereits alle ahnten.
    » Er hat recht, die Alte ist Fressen für die Geier. Lasst sie liegen und seht zu, dass ihr weiterkommt « , knurrte eine Männerstimme im Hintergrund. Adelind fuhr herum und blickte in das bärtige Gesicht des Ritters, der Ursanne getreten hatte. Mit aller Kraft bekämpfte sie den Wunsch, auf ihn einzuschlagen, drängte Samuel nur, Ursanne dennoch aufzuheben, denn ihr Leichnam sollte nicht einfach auf freiem Feld verrotten. Da versperrte plötzlich eine hohe Gestalt ihr den Blick auf den Ritter und die Sonne hinter ihm. Rosa war aufgestanden.
    » Hat der Tyrann in Rom euch hierhergeschickt, damit ihr alte, blinde, wehrlose Menschen tötet? « , fragte sie mit eisiger Verachtung in ihrer Stimme. » Hast du jemals die Bibel gelesen? An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen, so steht es darin. «
    Für einen Augenblick schloss Adelind die Augen. Sie wusste nicht, ob sie Rosas Mut bewundern sollte oder sie dafür verfluchen, dass sie nun vielleicht alle ihretwegen sterben würden. Auch der Ritter war erst einmal fassungslos, dann hob er eine behandschuhte Hand, um Rosa an ihrem spärlichen Haarschopf zu packen.
    » Seht her, da habe ich ein richtiges Ketzerweib gefunden! «
    Er zerrte an den Haaren, doch Rosa presste ihre Lippen aufeinander, denen kein einziges Stöhnen entwich. Ihre Augen waren immer noch starr auf das Gesicht des Ritters gerichtet und durchbohrten ihn mit jenem Blick, vor dem selbst Fürsten ein wenig kleiner geworden waren. Die Wirkung prallte an dem Ritter nicht ab, doch stachelte sie nur seinen Zorn an. Er versetzte Rosa einen Fausthieb in die Rippen, der sie kurz nach Luft schnappen ließ. Aber sie klagte nicht, blieb stumm wie eine Statue, der Stolz ins Gesicht gemeißelt worden war.
    Adelind sah, wie die Brüder aus der domus der Männer sich rasch entfernten, auch wenn einige von ihnen Rosa anerkennende Blicke zuwarfen. Sie gab den einstigen Insassen des Spitals ein Zeichen, ebenfalls weiterzugehen, was sie wohl ohnehin getan hätten, denn Rosa war ihnen gegenüber zu kalt gewesen, um ihre Zuneigung zu gewinnen. Allein sie selbst vermochte sich nicht zu entfernen, obwohl die Stimme der Vernunft in ihrem Kopf lärmte, dass sie sich von Rosa schnell distanzieren musste. Ein paar andere Ritter hatten ihre Pferde an den Schauplatz bewegt. Ihre Stimmen brummten durcheinander, debattierten in teilweise verständlicher, dann wieder völlig fremder Sprache, wie mit der unverschämten Frau zu verfahren sei. Auf einem weißen Ross kam ein Kleriker in scharlachroter Robe herbei, der Rosa kurz musterte. An ihm prallte ihr vernichtender Blick ab, er verzog nur seine Mundwinkel.
    » Heretica vestita! « , verkündete er laut. Eine eingekleidete Ketzerin. Rosa hatte stets schwarze Unterkleider getragen, da sie es in allen Dingen sehr genau nahm. Dann hob er seine Hand.
    » Nun, da wir ihrer habhaft geworden sind, können wir sie auch verhaften. Ebenso wie alle, die zu ihr gehören. «
    Er hatte weiter auf Latein gesprochen, doch wurde seine Aussage sogleich ins Okzitanische und auch ins Französische übersetzt. Männerhände zerrten Rosa fort, ergriffen bald darauf auch Adelind und all jene, die trotz ihrer Handzeichen nicht weitergegangen waren. Sie sah Hildegard rasch den Korb öffnen. Lutz sprang heraus, wich geschickt allen Tritten aus und huschte an eisernen Beinschienen vorbei in die Sicherheit der Wälder. Adelind wünschte sich, ihre Seele möge im nächsten Leben in den Körper eines derart flinken, zähen Tieres wandern, denn sie wusste nicht, ob sie noch als Perfacha sterben und in Gottes Reich würde eingehen können.
    Sie waren wieder in Carcassona und saßen in einem winzigen Raum, der zur Grafenburg gehörte. Es war kein Kerker, wie Adelind erleichtert feststellte. Durch einen Fensterschlitz strömte gleißendes Sonnenlicht herein. Der Boden war sauber, mit etwas Stroh bestreut und schien frei von Ungeziefer. Sie hatten Brot erhalten und auch frisches Wasser aus der Aude. Sie fühlte

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