Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Hilpert Demetrius an der Schulter und riss ihn zu
sich herum. »Schaut mich gefälligst an, wenn ich mit Euch spreche!«
»Was? Immer noch kein Ende?«
»Nur noch ein wenig Geduld! Der Chorherr, auf seinen
und der Kirche Ruf bedacht, zerbricht sich folglich den Kopf, was er mit dem
Leichnam von Agilulf anfangen soll. Und verfällt auf eine makabre Idee: Er
schleift denselben auf die Straße – und hat Glück. Nur einen Steinwurf weit
entfernt sieht er nämlich den Karren von Krätze dem Müllkutscher stehen, wartet
einen unbeobachteten Moment ab und hievt Agilulfs sterbliche Hülle kurzerhand
hinauf. Er ist sogar kaltblütig genug, sie unter einem Haufen Müll, Kot und
Abfall zu verbergen. Wo sie dann auch gefunden wurde. Aber das ist eine andere
Geschichte! Fest steht indessen, dass der Reliquienhändler von hinten erstochen
wurde. Mit einem Stilett. Eurem Stilett, das in den Trümmern von
Agilulfs Haus wiederaufgetaucht ist.« Bruder Hilpert holte tief Luft, kniff die
Augen zusammen und sah Demetrius eindringlich an. »Noch irgendwelche Fragen?«
»Nur noch eine.«
»Und die wäre?«
»Wer hat Euch mein Versteck verraten?«
»Darf ich Eure Frage mit einer Gegenfrage
beantworten?«
»Nur zu.«
»Zu gütig. Um Euch nicht unnötig auf die Folter
spannen: Was, wenn die indiskrete Frage gestattet ist, habt Ihr mit einer Frau
namens Melisande zu tun?«
»Ach so – daher weht der Wind!«
»Noch dazu ein recht heftiger, wie mir scheint!
Pflegtet Ihr doch, nachdem Ihr ihre Dienste in Anspruch genommen hattet,
bisweilen im Schlaf zu sprechen. Und sich bei ihr nach Büttner zu erkundigen.
Was Melisande wiederum erhebliches Kopfzerbrechen bereitet hat. Um nicht zu
sagen Gewissensbisse. So viele, dass sie keinen anderen Ausweg wusste, als sich
mir zu offenbaren!«
»Kompliment, Mönch , Ihr seid ein wahrer Meister
Eures Fachs! Und was habt Ihr jetzt vor mit mir?«
»Das hängt nicht zuletzt von Euch ab, Herr Domkapitular! «
»Eines dürfte Euch doch wohl klar sein: Mich vor
Gericht zu stellen, wäre der Mühe nicht wert.« Demetrius sah Bruder Hilpert mit
schmerzverzerrter Miene an, die Augen blutunterlaufen und starr. »Und einen
Leichnam hinzurichten wohl auch nicht. Warum in drei Teufels Namen lasst Ihr
mich dann nicht einfach verrecken?«
»Weil Ihr noch etwas gutzumachen habt, bevor Ihr vor
Gottes Richterstuhl tretet.«
»Reue? Und das bei einem Dämon wie mir? Ist das nicht
ein bisschen viel verlangt?«
»Für Reue ist es bekanntlich nie zu spät. Als ein
Mann, der sein Leben Gott geweiht hat, solltet Ihr das eigentlich wissen.«
»Gott? Habe ich da eben richtig gehört: ›Gott‹?«
»In der Tat.«
Demetrius atmete tief durch und richtete sich mit
schmerzverzerrter Miene auf. »Wenn Ihr wissen wollt, zu welchem Zweck oder in
wessen Auftrag ich meine Mission durchgeführt habe, gebt Euch keine Mühe,
Bruder.«
»Immerhin ein Fortschritt.«
»Was denn?«, fragte Demetrius verstört.
»Dass Ihr mich Bruder nennt!«, gab Hilpert postwendend
zurück.
»Wie gesagt: Gebt Euch keine Mühe! Foltert mich,
rädert mich, vierteilt mich – meinen Eid werde ich trotz allem nicht brechen!«
»Etwa jenen Eid, der Euch an den Geheimbund bindet,
welcher sich den Kampf gegen den Reliquienkult zum Ziel gesetzt hat?! Ein
Geheimbund, dessen Mitglieder allesamt einen Ring mit einer ganz bestimmten
Eingravierung tragen? Von der Art, wie auch Ihr ihn am Finger tragt?« Außer
sich vor Erregung, schüttelte Bruder Hilpert den Kopf. »›In diesem Zeichen
wirst du siegen‹ – wenn es je eine Lästerung gab, dann diese!«
Mit dem wenigen an Energie, zu dem er noch fähig war,
schraubte sich Demetrius in die Höhe, stützte sich auf die Handflächen und
starrte Bruder Hilpert entgeistert an. »Was wisst Ihr darüber?«, stieß er
keuchend hervor. Und fügte, als er seinen Fehler bemerkte, in deutlich milderem
Tonfall hinzu: »Wovon redet Ihr überhaupt?«
»Das wisst Ihr selbst nur zu genau!«, antwortete
Bruder Hilpert ungerührt. »Offen gestanden bin ich es allmählich leid, mich
weiter um Euch zu bemühen. Daher nochmals und in aller Deutlichkeit: Nennt mir
die Namen Eurer Mitverschworenen, insbesondere denjenigen Eures Auftraggebers,
und ich werde dafür sorgen, dass Euch ein gnädiger Tod beschieden sein wird.«
Aus dem Munde von Demetrius erklang ein schauerliches
Lachen. »Und was genau ist darunter zu verstehen?«, würgte er mühsam hervor,
während sich sein Gesicht bläulich zu verfärben begann.
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