Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
halb
geöffnete Tür zu ihm herüberdrang, für den Domherrn schon längst jeden
Schrecken verloren. Schließlich gab es ja noch den halb vollen Becher, der auf
dem Beistelltisch neben ihm stand. Sein Elixier, herbeigesehnt wie noch nie.
Wenn auch die Wirkung in seiner momentanen Verfassung
zu wünschen übrig ließ.
*
Bischöfliche
Gemächer, halb zwei
»Und was nun?« Johann von Brunn, ein Bild des Jammers,
das seinesgleichen suchte, war bleich und übernächtigt und zutiefst deprimiert.
Obwohl die Nacht lau und sternenklar war, hatte er sich einen pelzverbrämten
Umhang um die Schultern geworfen und starrte mit leerem Blick aus dem Fenster
seines Gemaches in die Dunkelheit hinaus. Aus der Ferne waren die Rufe der
Wachposten und hin und wieder Hundegebell oder ein lautes Wiehern zu hören.
Davon abgesehen, blieb alles ruhig. Zu ruhig, wenn er ehrlich war. Seine
Gegner, zahlreich wie selten zuvor, machten Front gegen ihn. Er musste sich
etwas einfallen lassen. Und das möglichst schnell.
»Eine berechtigte Frage, Fürstbischöfliche Gnaden.«
Selbst bei Bruder Hilpert, der aus seiner Antipathie gegenüber kirchlichen
Würdenträgern nie einen Hehl gemacht hatte, begann sich allmählich so etwas wie
Mitleid zu regen. »Was immer diese niederträchtigen Kreaturen auch vorhaben –
sie haben es nicht nur auf Euch abgesehen.«
»Und wozu dann diese Leichenfledderei? Könnt Ihr mir
das vielleicht erklären? Wie kommt ein Mensch überhaupt auf so eine Idee?«
»Ich weiß es nicht, Fürstbischöfliche Gnaden«,
antwortete Bruder Hilpert und fuhr mit den Händen durch den Haarkranz seiner
Tonsur. » Noch nicht.«
»Woher Ihr Euren Optimismus nehmt, ist mir ein
Rätsel.«
»Kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken, Euer
Gnaden.«
»Habt Dank für die aufmunternden Worte. Was macht Euch
so sicher, Bruder?«
»Die Tatsache, dass es zumindest einige Anhaltspunkte
gibt.«
»Ach ja?« Johann von Brunn gab ein verächtliches
Schnauben von sich, drehte sich auf dem Absatz um und sah Bruder Hilpert und
Berengar mit hochgezogenen Brauen an. »Und die wären?«
»Wenn ich die Depeschen aus Fulda und Bamberg richtig
verstanden habe, haben wir es hier mit einer Art Bruderschaft oder religiösem
Orden zu tun«, begann Bruder Hilpert mit Bedacht. »Einem Geheimbund frommer
Eiferer, welcher …«
»Fromm?!«, entrüstete sich Johann von Brunn mit
hochrotem Kopf. »Hab ich da eben richtig gehört? Fromm?! Was in aller Welt hat
denn eine Horde frevlerischer Grabschänder …«
»Gemach, Fürstbischöfliche Gnaden, gemach.
Temperamentsausbrüche, ganz gleich welcher Art, bringen uns auch nicht weiter.«
Bruder Hilpert stützte den Ellbogen auf die Fläche seiner linken Hand, fuhr mit
Daumen und Zeigefinger über das Kinn und begann im Angesicht des Fürstbischofs
auf und ab zu gehen. Weder Berengars fragende Blicke noch von Brunns
indignierte Miene schienen ihn dabei sonderlich zu interessieren. »Wie gesagt«,
fuhr er nach einer Weile fort, »haben wir es meiner Meinung nach mit einer Art
Geheimbund oder pseudoreligiösem Orden zu tun.«
»Und wie kommst du darauf?«
»Die Ringe, Berengar, die Ringe«, antwortete Hilpert
introvertiert. Und fügte mit Blick auf das Schreiben in seiner Hand hinzu: »Ist
es erlaubt, Fürstbischöfliche Gnaden?«
»Nur zu. Ich bin ganz Ohr.«
»Gut! Dann hör dir das einmal an, Berengar: ›Woher der
Frevler stammt, ist uns, ehrwürdiger Amtsbruder, bedauerlicherweise nicht
bekannt. War doch das Einzige von Wert, das er am Leibe trug, ein wertvoller
goldener Ring mit der Eingravierung Hoc signo victor eris .‹ Mit anderen
Worten: Beide Ringe, sowohl derjenige, welchen der junge Wirrkopf zu Fulda
trug, als auch derjenige, welcher bei der Schändung der Kaisergräber zu Bamberg
vermutlich aus Unachtsamkeit verloren ging, wiesen bezüglich ihrer
Eingravierung haargenau den gleichen Wortlaut auf. Zu offensichtlich, um an
Zufälle zu glauben, findest du nicht auch?«
»Zwei Ringe, die gleiche Eingravierung – mag sein, dass
das kein Zufall ist«, meldete sich Johann von Brunn zu Wort, während er sich
einen Becher Wein eingoss. »Aber doch wohl entschieden zu wenig, um diesen
Bastarden auf die Spur zu kommen.«
»Ich fürchte, da kann ich Euch nicht widersprechen,
Euer Gnaden«, gab Bruder Hilpert geschmeidig zurück. »Wenn es denn die einzige
Spur wäre, über die wir verfügen.«
»Wüsste nicht, was es sonst noch zu unseren Gunsten zu
sagen gäbe.«
»Bei allem gebotenen
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