Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Eurer
Nachforschungen …«
»Fürstbischöfliche Gnaden mögen mir meine Impertinenz
verzeihen, aber soeben hat mich eine Nachricht erreicht, von der man annehmen
kann, dass sie für Euch von allergrößtem Interesse …«
»Ad rem * , von Weißenfels!«, schnauzte der Fürstbischof seinen
Kammerherrn, einen vorzeitig gealterten Speichellecker, in rüdem Ton an. »Was
führt Euch zu solch später Stunde noch hierher?!«
Der Blick des Kammerherrn, dem eines verängstigten
Kaninchens nicht unähnlich, irrte ziellos zwischen seinem Herrn und seinen
beiden Gästen hin und her. Eine Antwort auf die ihm gestellte Frage blieb er
jedoch schuldig.
»Jetzt lasse Er sich nicht lange bitten!«, forderte
ihn von Brunn unmissverständlich auf. »Was gibt es so Wichtiges, dass Er so mir
nichts, dir nichts in eine wichtige Unterredung zwischen mir und Bruder …«
»Gerade darum geht es, Fürstbischöfliche Gnaden.«
»Um was denn, in des heiligen Kilian Namen?!«
Der Kammerherr scharrte verlegen mit dem Fuß, uneins
mit sich, wie er seinem Herrn die nun folgende Hiobsbotschaft überbringen
solle: »Man hat ihn gefunden, Herr«, quiekte er in erbarmungswürdiger Manier.
»Wen denn?« Johann von Brunn biss vor Wut die Zähne
zusammen. »Mein Gott, von Weißenfels, wenn Ihr Euch jetzt nicht endlich ermannt
und mir sagt, was los ist, dann …«
»Stellt Euch nur vor, Herr: Man hat diesen Agilulf
gefunden! Er ist tot!«
*
Agilulfs Haus,
zur gleichen Zeit
Hildegard war wie gelähmt und starrte den Mann im
dunklen Kapuzenmantel mit weit aufgerissenen Augen an.
Im ersten Moment hatte sie noch gedacht, dies alles
sei nur ein böser Traum. Nichts als pure Einbildung. Ein Produkt ihrer
Fantasie.
Weit gefehlt. Der Mann neben ihrem Bett war weder ein
Geist noch ein Sendbote Luzifers noch der Sensenmann oder was es sonst noch so
gab. Er war real. Ein Mensch aus Fleisch und Blut.
Aber schlimmer als sämtliche Albträume ihres Lebens zusammen.
Hildegard rang nach Luft. Der Strick, mit dem sie der
Mann an Händen und Beinen gefesselt hatte, brachte ihr Blut zum Stocken und
fühlte sich wie eine scharfkantige Glasscherbe an. Sie versuchte, sich zu
bewegen. Wenigstens ein paar Zoll. Aber es ging nicht. Ihr Peiniger hatte ganze
Arbeit geleistet.
Und dann erst diese Augen. Blutunterlaufen und voller
Hohn. Die schneeweiße Haut. Die hoch aufragende, im Widerschein ihrer Öllampe
auf groteske Weise verzerrte Gestalt, deren Schatten sie buchstäblich zu
verschlucken schien. Ein Mitternachtsdämon, wie es ihn nur einmal gab.
»Du weißt, warum ich gekommen bin?« Die Stimme des
Kapuzenmannes war rasiermesserscharf, eine wahre Tortur für ihr Ohr. Die Frau
des Reliquienhändlers hielt den Atem an und schüttelte heftig den Kopf.
»Was ist – hast du etwa die Sprache verloren?« Der
Mann lächelte, und die Art, wie er dies tat, machte Hildegard klar, dass dies
hier kein Spiel für ihn war. Es war tödlicher Ernst. Jeglicher Irrtum
ausgeschlossen.
Als ihr Peiniger auf die andere Seite des Bettes
schlenderte, schloss die Frau des Reliquienhändlers die Augen. Und dann traf es
sie wie der Blitz. Doch bevor sie ihre Erkenntnis in Worte fassen konnte, kam
ihr der Kapuzenmann zuvor: »Ich sehe, wir verstehen uns!«, flüsterte er ihr von
hinten ins Ohr. »Ein Vorteil für dich, denn dadurch kann ich mir langatmige
Erklärungen sparen!«
Obwohl sie Angst hatte wie nie zuvor, nahm Hildegard
all ihren Mut zusammen, riss den Kopf herum und sah dem Mann in die Augen: »Ob
Ihr es glaubt oder nicht – ich hab keine Ahnung, wo er steckt!«
Der Kapuzenmann antwortete mit einem diabolischen
Grinsen. »Aber ich!«, lachte er leise in sich hinein.
Hildegard öffnete den Mund, aber die Miene ihres
Peinigers erstickte die Frage im Keim. Eine lähmende Mutlosigkeit machte sich
in ihr breit, und auf einmal stand ihr Agilulfs Schicksal klar vor Augen. »Was
… was habt Ihr mit ihm gemacht?«, stammelte sie, während ihr der Blick langsam
zu verschwimmen begann. Eine an sich überflüssige Frage, denn tief in ihrem
Inneren wusste Agilulfs Frau, was geschehen war.
»Willst du das wirklich wissen?«
Hildegard schloss die Augen. »Nein!«, wimmerte sie,
kaum mehr imstande, ihre Tränen zu kontrollieren.
»Klug von dir!«, erwiderte der Mann. »Wozu sich auch
mit derart unappetitlichen Dingen beschweren.«
»Was wollt Ihr von mir?«
Der Kapuzenmann lachte leise in sich hinein. »Kannst
du dir das nicht denken?«, fragte er in gehässigem
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