Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Corpus Delicti behutsam aus den Händen nahm und einer genaueren
Prüfung unterzog.
»Dank deiner Akribie kann kein Zweifel mehr daran
bestehen, dass es zwischen Agilulfs Tod und dem seiner Frau einen direkten
Zusammenhang gibt.«
»Wie das?«, rätselte der Vogt mit stolzgeschwellter
Brust.
»Darf ich deine Wissbegier mithilfe einer Gegenfrage
ein wenig dämpfen?«
»Nur zu!«, gab sich Berengar betont jovial.
»Schließlich bin ich von dir nichts anderes gewohnt.«
Mit dem ihm eigenen Sinn für Humor konnte sich Bruder
Hilpert ein Lächeln nicht verkneifen: »Hört sich ja ganz nach einer
Kapitulation auf der ganzen Linie an, findest du nicht auch, Bruder?«
Bruder Wilfried, heilfroh, den Leichnam zudecken zu
können, nickte mit dem Kopf. »Sieht ganz danach aus!«, ergriff er für Hilpert
Partei.
»Dürfte ich jetzt wohl erfahren, wie du auf so eine …«
»Wie ich auf so eine Idee gekommen bin, Berengar?
Deswegen!«
»Und was soll das sein?« Mit dem leicht versengten
Büschel Fasern, das Hilpert wie eine Trophäe in die Höhe und anschließend
Berengar vors Gesicht hielt, konnten sowohl der Vogt als auch Bruder Wilfried
nicht viel anfangen. Die Skepsis in ihren Gesichtern sprach Bände, wovon sich
Bruder Hilpert freilich nicht irritieren ließ.
»Hanffasern!«, sprach er mit triumphierender Miene.
»Noch dazu in rauen Mengen! Na, was sagt ihr dazu?!«
»Und was hat das Ganze mit den beiden Morden zu tun?«
»Eine Menge, Berengar, eine Menge!«, antwortete Bruder
Hilpert, nachdenklich wie eh und je. »Nach allem, was ich zum jetzigen
Zeitpunkt weiß, haben wir es in beiden Fällen mit ein und demselben Täter zu
tun. Mit dem Mann, der dir schon drei Mal entwischt ist, Berengar.«
Dergestalt wieder auf dem Boden der Tatsachen
angelangt, tat Berengar so, als habe er Hilperts Bemerkung überhört, und fragte
gereizt: »Und woher willst du das wissen?«
»Beide Leichname, sowohl der von Agilulf als auch
derjenige seiner Frau, sind kurz vor ihrer Ermordung gefesselt und anschließend
vom Leben zum Tode befördert worden. Wobei die Stichwunde in Agilulfs Brustkorb
kaum einen anderen Schluss zulässt, als dass er mit einem spitzen Gegenstand
getötet worden ist. Höchstwahrscheinlich mit so etwas hier. Einem Stilett.«
»Ich verstehe.« Berengar blies die Luft aus den Lungen
und nahm Bruder Hilpert das Stilett aus der Hand, längst nicht mehr so
skeptisch wie zuvor. »Und wie kommst du auf die Idee, dass dieser Hundsfott mit
Agilulfs Frau das Gleiche vorgehabt hat?«
»Indem ich den Leichnam näher in Augenschein genommen
habe«, erwiderte Hilpert und fügte hinzu: »Wie wir gesehen haben, hat
Hildegards Mörder ganze Arbeit geleistet und fast alle Spuren verwischt. Aber
eben nur fast.« Hilpert holte tief Luft, fuhr dann aber umso entschiedener
fort: »Genau dort, wo sich bei Agilulfs Leichnam der entsprechende Abdruck
befand – nämlich am Handgelenk –, war er auch bei Hildegard zu sehen.«
»Aber wie ist das möglich?«, warf Bruder Wilfried mit
wachsbleicher Miene ein. »Ich meine, der Leichnam ist … wie soll ich das sagen?
… er ist doch …«
»Bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, du hast recht!«,
nahm ihm Hilpert die Worte aus dem Mund. »Aber nicht ganz. Was insbesondere die
Vorderseite des Unterarms und das Handgelenk betrifft. Die nämlich blieben
unversehrt. Soweit man dies unter den gegebenen Umständen überhaupt so
bezeichnen kann.«
»Und was schließt du daraus?«, fragte Berengar und
verschränkte die Arme vor der Brust.
»Dass Hildegard auf dem Bauch gelegen haben muss, als
ihre letzte Stunde schlug.«
»Wie das?«
Hilpert stützte den Ellbogen auf die Fläche der
rechten Hand und dachte eine Weile angestrengt nach. Dann sagte er, das Wort
eher an die eigene Adresse als die der beiden Freunde gerichtet: »Schwer zu
sagen, wie sich das Ganze abgespielt hat – andererseits …«
»Nur zu, wir sind ganz Ohr!«
»Immer mit der Ruhe, Berengar!«, entgegnete Bruder
Hilpert mit dem Anflug eines Lächelns im Gesicht und fuhr sich mit Daumen und
Zeigefinger übers Kinn. Er hatte die Nacht über kein Auge zugetan, und die
Ränder unter seinen Augen sprachen Bände. »Also: Irgendwann im Verlauf der
letzten Nacht – wann genau, lässt sich mangels Zeugen nicht sagen – hat sich
Hildegards Mörder Zugang zu ihrer Kate verschafft. Gut möglich, dass die Tür
nicht verschlossen war. Einerlei: Vermutlich hat der Täter sein Opfer im Schlaf
überrascht und an Händen und Beinen
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