Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Äbte und Herren zu engagierten Verfechtern der Sache
Eurer Heiligkeit zu machen.« Dass es sich dabei um den Raub der kostbarsten
Reliquien im Reich handelte, erwähnte der Kardinaldiakon lieber nicht. Wer weiß,
wie sein Herr reagiert oder ob er seine Pläne überhaupt gebilligt hätte. Seine
Pläne und den damit verbundenen Ehrgeiz, vielleicht selbst einmal Papst zu
werden.
»Ihr redet doch nicht etwa von Erpressung?«
Colonna konnte sich eines Schmunzelns nicht erwehren.
»Gott bewahre!«, heuchelte er. »Davon kann doch wahrhaftig nicht die Rede
sein!«
»Und Eure Gefährten? Sind wenigstens sie in Eure Pläne
eingeweiht, Kardinaldiakon?«
Bei der Nennung seines Titels zuckte Colonna kaum
merklich zusammen, die erste Blöße, die er sich in dem Gespräch mit Cossa gab.
»Selbstredend nicht!«, entgegnete er prompt, um mit breitem Schmunzeln
hinzuzufügen: »Ich habe sie im Glauben gelassen, einer gerechten Sache zu
dienen. Nur so, denke ich, waren sie bereit, bis zum Äußersten zu gehen. Einzig
und allein ihr Anführer weiß über alles Bescheid.«
»Zum Äu…«, stieß Cossa, Böses ahnend, hervor. Und
weiter: »Ich denke, mein lieber Colonna, Ihr habt mich überzeugt. Es ist
anscheinend wirklich das Beste, wenn ich nicht allzu viel über die Angelegenheit
weiß.«
»Amen!«, bekräftigte der Kardinaldiakon, verbeugte
sich und wandte sich rasch zum Gehen. An der Tür drehte er sich noch einmal um.
»Bis Donnerstag, Heiliger Vater!«, verabschiedete er sich und hob mit weit
ausholender Geste die Hand zum Gruß.
Im gleichen Moment, ohne dass sich dies einer der
Anwesenden hätte erklären können, rutschte ihm der goldene Ring vom
behandschuhten Finger und schlug laut klirrend auf den Steinfliesen des
Rittersaales auf. Das Echo war so laut, dass es Cossa noch lange danach in den
Ohren klang.
»Bis Donnerstag«, murmelte der ehemalige Papst, zog
den Otterfellmantel über die Schultern und wandte sich fröstelnd dem Feuer zu.
9
Hauger Viertel
in Würzburg,
Ende der dritten
Stunde (8.00 Uhr)
Der nächtliche Wolkenbruch war heftig
gewesen. Ein Geschenk des Himmels, im wahrsten Sinne des Wortes. In diesem
Punkt waren sich alle einig. Sonst, so Agilulfs Nachbarn, wäre das Viertel
abgebrannt. Und möglicherweise sogar die ganze Stadt.
Die Ursache für den Brand war dagegen den meisten
egal. Dank Gottes und Sankt Florians Beistand war alles noch einmal gut
gegangen. Und das war für die Tagelöhner, Kärrner, Magdweiber und Häcker, die
Agilulfs Haus wie ein Schwarm Krähen umringten, das Wichtigste.
Aber nicht für Bruder Hilpert, der die Trümmer
inspizierte. Ein süßlicher, von Brandgeruch, Feuchtigkeit und versengtem
Fleisch durchsetzter Gestank lag in der Luft. So penetrant, dass es kaum
auszuhalten war.
»Fertig?«, fragte Bruder Wilfried, der es nicht
abwarten konnte, das Wenige, was von Agilulfs Frau Hildegard übrig geblieben
war, mit einem Leinentuch zu bedecken. Er war kalkweiß im Gesicht, genau wie
Berengar, der den Blick über die bis auf die Grundmauern heruntergebrannte Kate
schweifen ließ. Wohin er auch schaute, nichts als verkohltes Fachwerk,
Steinhaufen und Rauch. Doch plötzlich, just in dem Moment, als Bruder Hilpert
immer noch wie besessen in den Trümmern herumstocherte, blieb sein Blick auf
einem ganz bestimmten Punkt in der ehemaligen Wohnstube haften. Ohne auf die beiden
Freunde zu achten, kletterte er über eine zerbrochene Dachrinne, erkaltete
Asche und unzählige, überall verstreute Habseligkeiten hinweg, streifte sich
einen Handschuh über und bückte sich. Wenig später hielt er einen spitzen
Gegenstand in der Hand. Eine Art Klinge, außer ein paar Rußflecken so gut wie
unversehrt.
»Na – etwas gefunden?« Im Begriff, die Klinge von
allen Seiten zu begutachten, wurde Berengar durch Hilperts Frage jäh
unterbrochen. »Kommt drauf an«, murmelte der Vogt, immer noch ganz auf seinen
Fund konzentriert. »So ein Ding hier findet man jedenfalls nicht alle Tage.«
»Zeig mal her.« Ein flaues Gefühl im Magen, reckte
Bruder Hilpert neugierig den Kopf, bahnte sich den Weg durch die Trümmerwüste
und gesellte sich zu dem Vogt. Fast gleichzeitig hellten sich seine Züge
merklich auf. »Gratuliere!«, beglückwünschte er seinen Freund. »Mit deinen
Luchsaugen hast du uns ein beträchtliches Stück weitergebracht!«
So ehrlich es gemeint war, sorgte das Lob des Freundes
bei Berengar eher für Verwirrung: »Wie meinst du das?«, fragte er, während ihm
Hilpert das
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