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Die Kinder aus Nr. 67

Die Kinder aus Nr. 67

Titel: Die Kinder aus Nr. 67 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Tetzner
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wat! Hab' dich so lange nicht gesehen!«
     
    Ordentlich blaß wurde er, als Erwin nickte und verstohlen auf seine linke Hosentasche zeigte. Jetzt erst sah Paulchen, daß sie auffallend geschwollen war und Erwin immer ängstlich die Hand darüber hielt. »Mutta, ich geh' mal mit Erwin ein bißchen an die Luft, vor die Tür. Ist ja so heiß hier.«
     
    Paul konnte kaum erwarten, herauszukommen. »Geh man«, sagte die Mutter, »habt euch ja so lange nicht gesehen.«
     
    »Mensch«, drängte Paul, »so sag's endlich, wieviel ist's denn?«
     
    »Zehn Mark und dreiundzwanzig Pfennige.« Aber Erwin mußte es zweimal wiederholen; Paul wollte es gar nicht glauben.
     
    »So viel Geld? Zehn Mark dreiundzwanzig! Und wenn man so denkt, wie lange wir dazu gebraucht haben. Und zuletzt haste alles alleine gemacht. Ich hab' ja gar nicht mehr gekonnt.«
     
    »Jaja«, sagte Erwin, »is schon richtig. Aber siehste, grade darum wollte ich dir's eben sagen. Vielleicht braucht ihr das Geld jetzt nötiger. Ein Fußball, det ist ja nicht so wichtig. Und weißt du, wo du doch mein Freund bist, gebe ich dir's gerne.«
     
    Paul schwieg. Recht hatte Erwin schon. Aber dann schüttelte er den Kopf.
     
    »Nee, nee, laß man. Hier raus hilft uns det auch nich. Mit dem Fußball können wir spielen und einen Fußballklub aufmachen mit der Clique. Hier wird doch alles nur zu Essen und zu Trinken. Man kann auch mal ohne das schlafen gehen. Mit dem alten Anzug mach' ich vielleicht bessere Geschäfte als mit einem neuen. Denn zur Arbeit muß ich ja ohnedies gehen. Aber ein Fußball, das bleibt eben ein Fußball, den kann man sein Leben lang haben. Da hat man mal einen Sonntag damit.«
     
    Erwin atmete erleichtert auf. Sie verabredeten Ort und Zeit, wo sie sich treffen konnten, um den Ball einzukaufen. Gleichzeitig beschlossen sie, zwei- bis dreimal die Woche zusammenzukommen, um zu spielen. Erwin sollte den Ball in Verwahrung nehmen. Ein schönes Leben konnte jetzt beginnen. Sie kauften den Ball bereits am nächsten Tag. Sie nahmen sich nicht einmal Zeit, das Geld einzuwechseln. Der Verkäufer im Warenhaus war sehr freundlich zu ihnen. Er ließ sie solange aussuchen, wie sie wollten. Obgleich ein Ball genau so wie der andere war. Für neun Mark fünfzig gab's keine Bälle mehr. Die Ausnahmetage waren inzwischen vorüber. Der billigste Ball kostete zehn Mark. Es war wirklich ein Glück, daß sie etwas mehr hatten. Als der Herr den Kassenzettel geschrieben hatte, mußten sie den Ball bezahlen gehen.
     
    Sie schütteten wahre Geldhügel auf den Kassentisch. Die Kupfer- und Nickelstücke türmten sich, daß beide schützend die Hände vorbauen mußten, damit das Geld nicht herunterrollte. Anstatt sich über so viel Geld zu freuen, begann das Kassenfräulein zu schimpfen. »Konntet ihr mir das nicht noch kleiner bringen? Was soll ich mit dem Pfennigkram?«
     
    »Eine Mark ist auch darunter«, sagte Erwin entschuldigend. Das Fräulein nahm die Mark und schmiß sie als erste in die Kassenlade.
     
    »Eine Rücksichtslosigkeit sondergleichen«, knurrte sie.
     
    Die anderen Käufer drängten nach und begannen ungeduldig zu werden. Erwin und Paul verstanden das gar nicht. Geld war doch Geld. Das ihre war besonders wertvolles Geld. Sie sahen das Fräulein verwundert an. Sie machte aus Zweiern, Einern und Fünfern lauter gleiche Häufchen. Ein Herr, der neben der Kasse stand, sah lachend zu. Der war viel freundlicher.
     
    »Fräulein«, sagte er, »wer den Pfennig nicht ehrt, ist die Mark nicht wert. Ist so ein altes Sprichwort, aber wahr. Was, Jungens, habt wohl lange gespart, bis ihr das zusammen hattet?«
     
    Erwin nickte: »Schwer gearbeitet haben wir.«
     
    Der Herr begann dem Fräulein bei dem Zählen und Aufbauen zu helfen. Er war wirklich sehr freundlich. Er nahm sogar aus seinem Beutel einen Fünfziger und legte ihn dazu.
     
    »Ich hab' auch mal so mühsam gespart wie ihr«, sagte er leise.
     
    Nun mußte das Fräulein ihnen sogar von ihrem Geld zurückgeben. Das war natürlich für Paul. Der Fußball wurde ihnen ausgehändigt. Jetzt waren beide schrecklich vergnügt. Sie trugen ihn stolz und glücklich davon. Noch niemals hatten sie einen so schönen Tag verlebt.
     
    Die Enttäuschung
     
    Die Clique war außer sich vor Staunen und Bewunderung, als Erwin mit dem Fußball ankam und ihn vorzeigte. Sie hatten den ganzen Plan schon längst wieder vergessen. Er ging von Hand zu Hand und wurde eingehend betrachtet. Man sparte auch nicht mit Lob.

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