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Die Kinder aus Nr. 67

Die Kinder aus Nr. 67

Titel: Die Kinder aus Nr. 67 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Tetzner
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Fingern zwischen die Stäbe auf den Grund zu kommen. Er hielt die Hand vor die Augen, damit er genau erkennen konnte, was das eigentlich war. Zum Kuckuck, das war ein Markstück. Ihn schwindelte fast.
     
    Neben dem Keller, im Flur eines Hauses war ein Grünkramladen. Käufer von dort hatten wahrscheinlich das Geld beim Wechseln oder Einkäufen verloren. Jetzt galt es, sich unauffällig das Geld zu angeln. Er rannte nach Hause und holte einen Stecken, klebte ein nasses Stück Seife daran und stürzte zum Kellerschacht zurück. Daß ihm bloß keiner zuvorkam! Daß keiner aufmerksam wurde und ihm seinen Besitz streitig machte! Nun ließ er seinen Stecken hinab und drückte die Seife in das glänzende Geldstück. Schwupp klebte das an und hielt fest. Er hatte sich also nicht getäuscht. Er zog nach oben und drehte vorsichtig den Stecken durch die Gitterstäbe. Es war ein richtiges Markstück. Etwas beschmutzt vom Straßendreck, aber sonst in Ordnung.
     
    »Dämlicher Junge, kannste dir nicht vorsehen?« Hinter ihm keifte ein Marktweib. Er war mit dem Kopf so schnell in die Höhe gefahren, daß er ihr dickes Marktnetz mit hochschob und die Äpfel darin ins Kollern kamen.
     
    Die Frau war ganz aufgeregt. »Was haste denn auf der Straße zu liegen? Ich werde gleich den Schutzmann holen. Is das vielleicht ein Platz? Mitten auf der Straße am hellerlichten Tage? Was haste denn da in die Hände? Wat versteckste denn so schnell? Hast wohl was geklaut?«
     
    Erwins Herz schlug. Wenn die Frau bloß die Mark nicht zu sehen bekam! Sie war imstande und sagte, es sei ihre Mark.
     
    »Ich hab' nischt geklaut, ich hab' wat gesucht, wat Verlorenes.«
     
    »Paß besser auf, dann verlierste nischt, und wenn du nischt verlierst, brauchste nischt zu suchen. Hilf mir lieber die Äpfel aufheben!«
     
    Natürlich half Erwin. Mit dem größten Vergnügen. Er war froh, daß sich die Frau beruhigte. Er wischte jeden einzelnen Apfel sogar an seiner Hose ab, nur um der Alten eine Freude zu machen. Dann rannte er heim. Er rannte, daß ihm das Hemd an der Hose klebte. So schwitzte er. Denn man findet doch nicht alle Tage eine ganze Mark auf der Straße. Das kam alle hundert Jahre einmal vor. Seiner Berechnung nach mußte das sogar die neunte sein. Er hatte das Geld lange nicht gezählt, um sich nicht zu häufig an dem Versteck aufzuhalten und dadurch Aufsehen zu erregen. Jetzt wollte er sofort sein Geld ausgraben und nachzählen.
     
    Zu schade, daß die Tage so lange hell blieben. Immer noch saßen bis spät abends Leute im Hof.
     
    Als er heimkam, saß natürlich die Portiersfrau mit ihrem Stuhl ausgerechnet über seinem Geld. Erwin blieb wie eine Schildwache dicht neben ihr sitzen und wartete, bis sie endlich wegging. Er fing immer wieder freundlich an, mit ihr zu sprechen. Er hoffte, es würde sich ein Grund finden, daß sie fortging. Erst sprach er vom Wetter. Im Zimmer, sagte er, sei's viel kühler als hier draußen im Hof.
     
    Die Frau sagte nur: »Schon möglich«, und blieb sitzen. Erwin versuchte es auf andere Art. Ob sie bereits wüßte, daß es draußen auf der Straße billige Kirschen zu kaufen gäbe? Herrliche Kirschen seien das. Die müßte sie sich einmal ansehen.
     
    »Ich brauche keine Kirschen nicht«, war das einzige, was die Frau sagte. Er versuchte es noch einmal. »Ich glaube, Ihr Mann ruft Sie. Ja, ich hab's ganz deutlich gehört, er ruft Sie. Sie sollen reinkommen.«
     
    »Der is ja gar nich zu Hause. Stör mich doch nicht immer.«
     
    »Dann ist es vielleicht die Katze, die schreit. Denn ich hör' immer so ein verdächtiges Geräusch aus Ihrer Wohnung.«
     
    Aber nun wurde die Frau sogar ärgerlich. »Stör mich doch nicht immer!« rief sie. »Wat haste denn?«
     
    Da verstummte Erwin und beschloß, lieber bis zur Dämmerung zu warten. Als es soweit war, kratzte er mit höchster Geschwindigkeit heimlich seinen Beutel heraus und rannte mit ihm ins Haus. Einige Minuten später saß er auf dem Abort. Dort durfte er zuriegeln und blieb ungestört. Nun konnte er zählen. Er machte es ganz leise, damit die Pfennige nicht so klapperten. Als er bei neun Mark angelangt war, und immer noch einige Geldstücke im Beutel waren, flogen seine Hände vor Aufregung hin und her. Sollte er sich verzählt haben? Er begann von neuem. Aber es blieb dabei. Er quietschte fast vor Vergnügen. Er hatte zehn Mark und dreiundzwanzig Pfennige. Also regelrechten Überschuß. Nun mußte er sich sogar den Schweiß von der Stirn wischen. Er

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