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Die Kinder aus Nr. 67

Die Kinder aus Nr. 67

Titel: Die Kinder aus Nr. 67 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Tetzner
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Ohne dich kann ich nicht spielen. Vielleicht brauchste das im Asyl.«
     
    Paul drehte den Beutel zögernd zwischen den Händen umher. Dann schüttelte er den Kopf und wies ihn zurück.
     
    »Aber, haste denn nicht eben gesagt, ich komm' wieder? Warum soll det nischt werden mit dem Fußball! Kannst mir ja auch besuchen im Asyl. Mutter sagt, da gäb's viele Kinder. Da bilden wir eine neue Clique und brauchen den Fußball erst recht.«
     
    Verteufelt noch mal. Das war auch ein Gedanke. Daran hatte Erwin gar nicht gedacht.
     
    »Ach nee, nee, Paulchen, behalt man lieber, man kann nie wissen, wozu du det brauchst. Du bist mein Freund, und ich helf' dir.«
     
    »Is nicht«, sagte Paul und drehte sich um. »Vielleicht kommste bald nach.«
     
    Auch darin hatte Paul natürlich recht. Richters waren nicht die ersten im Haus, die bei den schlechten Zeiten ins Asyl ziehen mußten. Morgen schon konnten dieselben Leute zu seinen Eltern kommen. »Also gut, Paulchen. Aber dann versprich mir nur, ruf mir, wenn du das Geld brauchst im Asyl. Oder wenn deine Mutter wieder krank wird. Freunde helfen sich gegenseitig. Ich reiß' das Geld nicht an, bis ihr wieder raus seid aus dem Asyl.«
     
    »Is schon gut, Erwin, mußt mir gar nicht so viel sagen. Grab's mal wieder gut weg. Vielleicht besser auf die andere Seite, damit keiner was merkt. Und versprich mir, wenn die neun Mark fünfzig zusammen sind, dann ruf mir oder komm zu mir ins Asyl. Dann will ich mitgehn und einkaufen. Mach's nur nicht allein.«
     
    »Ehrenwort, det versprech' ich dir.«
     
    Sie drückten sich die Hände. Nun war das abgemacht. Erwin schob den Beutel in seine linke Hosentasche und behielt zum Schutze die Hand darin. Paul wurde von seiner Mutter gerufen.
     
    Eine halbe Stunde später zog die Familie Richter aus dem Hinterhaus Nummer 67 aus und trat den Weg ins nächste Familienasyl an. Erwin folgte seinem Freund bis auf die Straße und half die letzten Hausgeräte auf den Leiterwagen laden.
     
    »Also abgemacht, Erwin, und halt dicht vor den anderen Jungen der Clique.«
     
    »Abgemacht.«
     
    Erwin drückte noch einmal Pauls Hand. Dann sagte er Frau Richter »Auf Wiedersehen«, drehte sich um und lief fort. Es war ihm noch immer sehr weinerlich zumute. Und er hatte doch solche Sehnsucht nach etwas Hellem und Vergnüglichen.
     
    Er wartete, bis der Hof wieder leer war, dann suchte er sich eine geeignete neue Stelle, um seinen Schatz zu vergraben. Er stach mit dem Taschenmesser an den Pflastersteinen herum, bis er eine Kuhle gegraben und alles wieder verdeckt hatte.
     
    Jetzt war er ganz allein. Paulchen sah er nur in der Schule. Dann war er ernst und still. Oder er war müde. Denn er mußte schon am Morgen mithelfen, Zeitungen tragen, und nach der Schule mußte er in die Stadt gehen, Streichhölzer und Schnürsenkel verkaufen. Alles Geld, das er verdiente, mußte er zu Hause abliefern. Für den Fußball blieb nichts mehr übrig. Daß Erwin ihm half, wollte er nicht haben.
     
    »Vielleicht geht es bald besser«, sagte er, »und dann sind wir froh, wenn wir einen Fußball haben.«
     
    Und eines Morgens kam er nicht mehr in die Schule. Der Weg dahin war für ihn zu weit. Er blieb im anderen Stadtteil.
     
    So sparte Erwin allein für den Fußball. Und natürlich dauerte das sehr, sehr lange.
     
    Der Wunsch wird erfüllt und noch mehr
     
    Jetzt war es schon wieder Sommer. Es sollte bald große Ferien geben. Die Hitze lag über der Stadt und stieg in schweren, dicken Gerüchen aus den Hinterhäusern. Am Mittag, wenn Erwin aus der Schule kam, war der Asphalt weich und heiß, und er brannte durch die Schuhsohlen. Es gab viel Staub, Gestank und Schwüle in den Straßen des Viertels. Tag für Tag rannte er nach Botengängen durch die Straßen, bettelte an den Ecken oder vor Autotüren und putzte Vorübergehenden den Staub von den Schuhen, um ein paar Kupferpfennige zu erhalten. Dazwischen gab es Tage, da kam er nicht zur Arbeit, weil er die kleine Rosa ausfahren oder im Hofe hüten mußte, während die Mutter zur Arbeit ging.
     
    Aber eines Tages hatte er ein unerhörtes Glück. Wie ein Wunder war das. Auch später erschien es ihm fast unglaublich.
     
    Als er die Straße entlangging und wie gewöhnlich den Boden absuchte, um Abfälle zu erspähen, aus denen er noch einen Vorteil gewinnen könnte, leuchtete ihm zwischen den Gitterstäben eines Kellerfensters etwas Glänzendes entgegen. Das mußte Geld sein.
     
    Er kniete eilig nieder und versuchte, mit den

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