Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder aus Nr. 67

Die Kinder aus Nr. 67

Titel: Die Kinder aus Nr. 67 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Tetzner
Vom Netzwerk:
bitte, bitte, gebt mir den Piddel zurück.«
     
    In rasendem Lauf drängte sich die Clique durch die Straßenpassanten über die Fahrdämme zur Markthalle.
     
    Einige Leute blieben stehen und sahen ihnen nach. Sie hielten auch Mirjams entsetzte Hilferufe nur für ein Spiel, das dazu gehört, und halfen ihr nicht.
     
    Mirjam konnte kaum mehr. Sie war eine gute Läuferin, aber sie wußte in der großen Stadt noch nicht so gut Bescheid. Sie mußte viel zu oft auf die roten, grünen und gelben Lichtzeichen sehen, um zu erfahren, ob sie den Fahrdamm überqueren durfte.
     
    Die Clique hatte einen großen Vorsprung.
     
    »Sie dürfen Piddel nichts tun. Ich muß ihn wiederhaben.« Mirjam schlängelte sich zwischen den Autos hindurch und wurde fast überfahren.
     
    Jetzt hatte die Clique Mirjam gesehen. »Sie ist hinter uns her«, schrien sie. »Die Gummipuppe. Die Polnsche! Die Indianerin! Die Zigeunerin! Die Jüdsche!« Jeder schrie etwas anderes. Sie überboten sich im Schreien. Willi führte alle an, und Paul war jetzt sogar an seiner Seite und fing genau so laut an mitzubrüllen.
     
    »Sie verfolgt uns. Schneller, sie verfolgt uns.«
     
    Er spornte die Clique zu immer größerer Eile an.
     
    Endlich erreichten sie die Höhle. Mirjam sah sie eben noch hinter der Markthalle verschwinden.
     
    »Schnell«, brüllte Willi. »Macht die Tür zu, nicht reden.«
     
    Sie krochen atemlos in der Höhle zusammen. Auch Erwin. Aber er hatte ein verbissenes, böses Gesicht. Er wußte gar nicht, warum sich so viel Wut gegen seine eigenen Freunde in ihm ansammelte. Er wollte am liebsten jeden einzelnen verhauen. Und ganz besonders Paul, der plötzlich, wie Willi, die lautesten Schimpfworte brüllte. Mit unlustigem Gesicht blieb Erwin hinter der Tür stehen und versuchte nachzudenken.
     
    Die anderen flüsterten und horchten. »Is sie schon da?«
     
    »Achtung!« Willi befahl: »Wenn se uns entdeckt, wird sie gefangen genommen, damit sie uns nicht verraten kann. Stürzt euch auf sie, haltet ihr den Mund zu, damit sie nich schreien kann.«
     
    Mirjam hatte die Spur der Jungen verloren. Sie stand ratlos zwischen den Marktkörben, Karren und Lastautos. Sie wurde ärgerlich beiseitegestoßen. Sie wußte, daß sie gleich anfangen würde zu weinen. Vor ihr lag ein Bretterhaufen. Oder war es ein Haus? Eine Hütte?
     
    Die Clique war wie vom Erdboden verschwunden. Sie hörte auch keinen Laut mehr von ihnen. »Piddel«, jammerte sie, »Piddel!« Ganz laut rief sie dann: »Piddel!« Und noch einmal »Piddel!«
     
    Da ertönte zwischen dem sonderbaren Bretterstapel vor ihr ein unterdrücktes, knurrendes »Wau - wau - wau«.
     
    Das war er! Mirjam hatte seine Stimme erkannt. »Das ist Piddel.« Es war nur ein jämmerlicher, leiser Hundelaut, aber es war Piddel.
     
    »Piddel!«
     
    Mirjam stürzte sich auf die Bretterbude. Sie hämmerte mit ihren Fäusten dagegen und versuchte, zwischen die Bretter zu sehen. Aber sie konnte nichts dahinter entdecken.
     
    »Piddel!«
     
    Es blieb alles still. Sie lief um die Bude herum. Irgendwo mußte doch ein Eingang sein.
     
    An der einen Seite erblickte sie ein loses Brett, vielleicht war dort eine Tür. Sie hörte dahinter jemanden flüstern. Ein kurzes, klägliches Heulen.
     
    »Sie quälen meinen Piddel.«
     
    Mirjam drängte sich zwischen den Türspalt, den sie entdeckt hatte. Doch schon wurde sie am Kleid gepackt. Mehrere Hände hielten sie zugleich.
     
    »Gefangen! Wir haben dich gefangen«, schrien alle.
     
    Mirjam versuchte, sich zu wehren und schaute hilfesuchend um sich. Dort war Piddel. Sie hatten ihn mit Stricken umschnürt, und Emil hielt ihm die Schnauze zu.
     
    »Gebt mir meinen Piddel wieder«, rief sie. »Was wollt ihr mit ihm? Laßt mich los. Ich habe euch doch nichts getan.«
     
    Willi stellte sich mit Feldherrenmiene vor sie hin. »Dein Piddel hat unseren Braten gefressen, darum muß er sterben. Bindet sie und verhaut sie. Aber feste.«
     
    Die Jungen gehorchten dem Befehl. Diesen Augenblick benutzte Mirjam, sie dachte nur an Piddel. Daß sie verhauen werden sollt, war ihr ziemlich gleichgültig. Sie war nicht feige. Aber erst mußte sie Piddel befreien. Ihn durften sie nicht quälen. Dann konnten sie mit der Prügelei beginnen.
     
    Sie sprang vor, riß Emil den Hund aus der Hand, nahm ihn in ihren Rock und versuchte, sich durch die Knaben zu drängen.
     
    »Haltet sie, laßt sie keinesfalls durch«, kommandierte Willi zum zweitenmal. »Los doch, haltet sie. Paul,

Weitere Kostenlose Bücher