Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder aus Nr. 67

Die Kinder aus Nr. 67

Titel: Die Kinder aus Nr. 67 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Tetzner
Vom Netzwerk:
holen und lasse Piddel im Hof, damit er mal austritt. Als ich wiederkomme, haben sie ihn an den Mülleimer gebunden, und als ich ihn abbinde, haben sie von oben Wasser auf mich gegossen, so daß mein Kleid ganz naß wurde. Hoffentlich merkt Tante es nicht, sonst gibt's Krach.
     
    Dienstag. Möchte wissen, ob Erwin auch zu der Partei Willis gehört. Habe ihn heute auf der Straße getroffen. Da hat er zu mir rüber geschaut und genickt, ist aber weitergelaufen, und als ich nach Hause kam, steckte an meinem Kleid ein Zettel: »Du bist doof.« Das ist ihr Schimpfwort; es heißt »dumm«. Ob das Erwin war?
     
    1. August 1931. Bin heute mit Piddel in den Park gegangen, und da habe ich ihn Kunststücke machen lassen. Die Leute haben gelacht. Willi ist mit Heiner vorübergegangen, und sie haben herübergeschielt. Ich hab's gesehen. Sind schön dumm. Könnten den Hund haben. Wäre doch ein großartiger Cliquenhund. Nun gehört er nur mir, und ich hab' ihn lieber als alle anderen Leute. Früher habe ich ihm Milch aus der Flasche zu trinken gegeben. Ihm gefällt Berlin auch nicht. Er steht immer an der Tür und will raus und bellt. Und ich muß Angst haben, daß er wegläuft und überfahren wird.
     
    6. August. Werde überhaupt nicht mehr in den Hof gehen. Sie werfen Piddel mit Papierkugeln, und heute haben sie ihm eine Tüte über den Kopf gestülpt, da konnte er gar nichts mehr sehen und ist immerzu im Kreis herumgerannt und hat sich gefürchtet. Ich habe was geschimpft, aber da haben sie nur gelacht und mich nachgeäfft. Der Erwin war auch dabei.
     
    Erwins Mißerfolg
     
    Erwin geht eines Tages über die Straße und trifft Mirjam. Sie trägt einen Korb am Arm und hat für ihre Tante Mathilde eingekauft. Sie hält Piddel an der Leine und läuft wie eine Mutter von vier Kindern sehr geschäftig mit ihrem gefüllten Korb heim. Erwin hat sie gleich gesehen. Es tut ihm so leid, daß man sie nicht in die Clique aufnahm und so auf Kriegsfuß mit ihr steht. Er würde sehr gern ihr Freund werden. Dann dürfte er sicher auch mit ihrem Fahrrad fahren. Das hat Rücktrittbremse. Und Piddel dürfte er dann mit in seine Wohnung nehmen. Er würde sehr gern seinem Vater Piddels Kunststücke zeigen.
     
    Erwin beschließt, Mirjam endlich einmal anzureden. Er läuft ihr nach und gibt ihr zunächst einen leichten Puff in den Rücken aus Freundschaft, um sie auf sich aufmerksam zu machen, weil er etwas von ihr will. Er überlegt sogar, ob er ihr nicht für zwölf Pfennige Eis kaufen soll. Er hat so viel Geld in der Tasche. Aber Mirjam versteht ihn falsch. Sie hat jetzt so furchtbar viele Püffe bekommen, daß sie nichts Gutes mehr von den Jungen erwartet. Sie dreht sich nach Erwin um, zieht eine Fratze und streckt ihm die Zunge heraus.
     
    »Erlaub mal, ich tu' dir doch nichts. Ich möcht' nur gern ein bißchen Piddel führen.«
     
    »Könnte dir so passen. Piddel gehört mir.« (Gern ist Mirjam nicht so patzig. Aber sie muß sich wehren, denkt sie.)
     
    »Ich tu' ihm doch nichts.«
     
    »Aber ich geb' ihn nicht her. Den darf überhaupt keiner anrühren.«
     
    Erwin versucht es auf eine andere Art. »Bist du schon Fahrrad gefahren? Ich meine hier in Berlin?«
     
    »Geht dich gar nichts an.«
     
    Er tut so, als merke er immer noch nichts. »Kannst mich auch mal besuchen. Ich habe ein Aquarium und eine Schmetterlingssammlung, und außerdem einen Kompaß. Vielleicht willst du dir das alles mal ansehen.«
     
    Mirjam lauert von unten herauf und weiß nicht, was sie zu Erwins Freundlichkeit sagen soll. Will er ihr nur eine Falle stellen? Sie ist schon so verängstigt, daß sie das letztere annimmt. »Ich habe auch eine Schmetterlingssammlung und Aquariums mag ich nicht, die stinken.«
     
    Sie läuft auf die andere Seite und läßt ihn stehen.
     
    Nun ärgert er sich. »Dumme Gans«, schreit er ihr nach. Mädchen sind wirklich alle gleich. Der Hund kann Erwin von jetzt ab auch gestohlen werden.
     
    Die anderen aber haben Erwin mit Mirjam gehen sehen. Sie empfangen ihn mit Hohn. Er hat viel auszustehen und wird verdächtigt.
     
    »Sternenhimmel sucht sich einen Mond«, rufen die größeren. Dann singen sie: »Guter Mond, du gehst so stille...« Sie quatschen lauter dummes Zeug, so daß Erwin richtig bockig wird und sich vornimmt, Mirjam nie mehr anzusehen.
     
    Fortsetzung aus Mirjams Tagebuch
     
    Freitag. Heute war große Aufregung im Haus. Irgendein Tier hat bei Willi den Sonntagsbraten gestohlen. Und das soll natürlich mein Piddel

Weitere Kostenlose Bücher