Die Kinder aus Nr. 67
dem sie ihn zu sich heranlocken wollten.
Zwei Tage später lief Mirjam in die Bäckerei und ließ Piddel draußen im Hof warten, damit er ein bißchen herumlaufen konnte. Sie hatte Willi nicht gesehen, der hinter der Tür vom Aufgang h saß und nur darauf lauerte, den Hund zu fangen.
Während Mirjam das Brot kaufte, lockte er den Hund:
»Faß, faß, faß, komm, Piddel, komm.« Er beugte sich über die Schwelle und hielt das Fleisch, das schon braun und unansehnlich geworden war, vor sich hin.
Piddel spitzte die Ohren und wedelte mit dem Schwanz.
Obwohl man ihm schon sehr viel Böses angetan, ihn begossen und beworfen hatte, betrachtete er Kinder noch immer als seine Freunde.
Er kam näher. In seiner Nase saß der Geruch des Fleisches. Er sprang an Willi hoch und schnappte zu.
»Du Biest, jetzt endlich habe ich dich«, knurrte Willi. Er faßte ihn fester unter dem Bauch und lief mit ihm die Kellertreppe hinunter.
Piddel war so beschäftigt mit dem Fleisch, daß ihn dieser Überfall nicht weiter bedrückte. Er war wirklich ein sehr gutartiger Hund. Er schaute Willi mit seinen treuen Augen an und bettelte: »Mehr Fleisch, bitte, mehr.«
Willi sperrte ihn in den Kohlenkeller und zog den Schlüssel ab. Hoffentlich bellte er nicht zu laut. Er warf ihm noch ein Stück Fleisch hin und streichelte ihn obendrein, um ihn nicht unnötig zu erzürnen. Eigentlich war er ja wirklich ein netter Hund.
Dann rannte er rasch zurück und pfiff: »Ach, du lieber Augustin.«
Er lief Mirjam gerade in die Arme. Sie stand im Hof und sah sich suchend um. Sie lockte und rief: »Piddel, Piddel.« Dann eilte sie ins Vorderhaus, denn sie glaubte, Piddel sei schon zurückgelaufen.
Die ganze Clique sammelte sich im Hof.
»Haste ihn?«
»Wo ist er?«
»Was tun wir nun?«
»Verpacken und in die Höhle schaffen, damit er nicht das ganze Haus rebellisch bellt.«
»Und dann?«
»Wird sich finden.«
»In was wollen wir ihn verpacken?«
»In Packpapier.«
»Wie ein Paket?«
Sie einigten sich schließlich auf einen alten Mantel, in den sie ihn einhüllen konnten.
»Aber, daß er nur nicht erstickt.« Paulchen war ängstlich und warnte.
Willi war nicht so besorgt um Piddel. »Wenn schon.«
Heiner meinte: »Er muß ja sowieso sterben.«
Dieser Piddel! Als sie in den Keller kamen, stellte er sich auf die Hinterbeine, um sie zu begrüßen. Er hatte ganz brav vor der Tür gesessen, ohne zu bellen. Er fand es lustig. Er wedelte sogar mit dem Schwanz.
»Armes Vieh, der ahnt noch gar nichts.«
Erwin tat der Hund wirklich leid.
Sie redeten Piddel gut zu und verpackten ihn ziemlich freundlich mit Streicheln und Zurufen, so weit das eben in ihrem Eifer möglich war. Trotzdem wurde es Piddel allmählich ungemütlich. Vielleicht merkte er schon, worum es ging. Er fing an zu knurren und wehrte sich verzweifelt. Einige Stimmen erhoben sich deshalb für Piddel und baten um Gnade. Sie murmelten: »Laß doch das arme Vieh laufen.«
»Kommt gar nicht in Frage«, knurrte Willi. »Er muß bestraft werden.«
Willi nahm das Paket mit dem Hund unter den Arm und kommandierte: »Los, eins, zwei, drei, marsch!«
Im Eilmarsch stürmten sie die Treppe hinauf und über den Hof ins Vorderhaus. Dort begegneten sie Mirjam. Sie stand unter dem Torbogen. Erschrocken sah sie die johlende Bande heranstürmen. Erwin kam als letzter. Unlustig aber gehorsam trottete er hinterher.
»Haste nicht meinen Piddel gesehen?« fragte Mirjam. »Ich hab' so Angst, daß er gestohlen wurde oder überfahren ist. Die Tür stand offen.«
Paul sah erwartungsvoll Erwin an. Das war schwierig. Was würde Erwin antworten? Er stieß ihn an. »Komm doch«, bat er.
Erwin zögerte. Er antwortete nicht und stand ratlos da. Mirjam tat ihm schrecklich leid. Aber er durfte doch nicht die Clique verraten und Spielverderber werden. Er konnte auch nicht wie ein Mädchen klatschen. Er sah von Mirjam zu Willi, der gerade mit seinem Paket unter dem Arm durch den Torbogen des Vorderhauses stürmte. Mirjam war unwillkürlich seinem Blick gefolgt. Sie erblickte das zappelnde, lebendige Paket und erriet Erwins Gedanken.
»Such ihn«, stieß Erwin endlich hervor, dann stürmte er fluchtartig seiner Clique nach. Auch Mirjam setzte sich in Bewegung.
»Piddel«, schrie sie, »Piddel! Zu Hilfe, sie wollen meinen Piddel stehlen. Gebt mir den Piddel zurück,
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