Die Kinder aus Nr. 67
doch für Sie 'n Kleinigkeit.«
Der Zauberkünstler antwortete nicht darauf.
Das Zimmer war überfüllt mit den sonderbarsten Dingen. Bunte Blechteller und Tassen, Kugeln und Blumentöpfe aus Papier und Pappe, viel blitzende Blechschwerter, ausgestopfte Tiere, angeschmutzte, verblichene Fahnen und Bänder, Bücher, Spielkarten, merkwürdige Gitterwände, chinesische Ofenschirme, chinesische Fächer und Bilder lagen nur so herum, und in zwei großen Holzkäfigen flatterten Kanarienvögel. Es gab wenig Möbel, nur einen Tisch und einen Holzstuhl, und an der Wand stand ein Drahtbett mit buntkariertem Deckbett. In einer andern Ecke lagen Pistolen und sogar eine Ritteruniform, wie bei Frau Manasse. Neben der Tür häuften sich Kisten und Koffer mit der Aufschrift »Zauberkünstler Battista Barretta«.
Das alles machte einen großartigen Eindruck. Die Kinder hätten gern jedes Ding untersucht oder sich gleich etwas vorzaubern lassen.
Erwin setzte sich unaufgefordert auf den einzigen vorhandenen Stuhl und begann nun dem Zauberkünstler alles der Reihe nach zu erzählen. Er konnte den fremdländischen Namen nicht recht aussprechen und so sagte er immer nur: »... weil Sie doch ein so richtiger großer Künstler sind.«
Der Zauberkünstler nickte gelassen und murmelte: »Sì, sì, sì.«
»Darum also haben wir gedacht, könnten Sie zum Besten der Mieterkasse uns beim Programm helfen und ein bißchen umsonst zaubern. Wenn Sie dann später einmal die Miete nicht zahlen können und der Portier Ihnen droht, dann bekommen Sie einen Vorschuß aus der Mieterkasse. Und wenn Sie mal ganz arm sind, bekommen Sie auch alles umsonst. Denn wir können ja neue Feste machen und immer wieder einsammeln, wenn das erste Fest glückt.«
Dem Zauberkünstler schien das alles sehr zu gefallen. Er kaute mit seiner Zunge im Munde hin und her und dachte nach.
»Werden viele Leute kommen?« fragte er.
»Aber natürlich alle, sogar die Hunde und Katzen«, rief Erwin, und er machte eine Bewegung mit beiden Armen, als sei ganz Berlin dazu eingeladen.
»Wird auch Presse kommen?« fragte der Zauberkünstler weiter.
Erwin: »Presse? Wozu Presse?«
»Kommt es in die Zeitung, und wird es auch gedruckt? Von wegen —« Er deutete auf sich selbst und reckte sich höher.
»Du, der meint, von wegen der Reklame, ob er dabei bekannt wird«, erläuterte Emil.
Erwin: »Na klar. Sie werden schrecklich bekannt werden. Wir können ja wen von der Presse einladen, der Sie dann beschreibt. Ich kenne nur gar niemanden und weiß nicht, wie man das macht.«
»Fa niente, fa niente«, rief der Zauberkünstler und sagte damit: »Das macht gar nichts. Das mache ich schon selber. Ich kenne die Presse.« Er lachte, daß seine braun verräucherten Zahnstummel sichtbar wurden.
Paul rieb seine Hände vor Vergnügen. Er puffte Emil in die Seite. »Du, der macht mit. Det merk' ich schon, knorke.«
»Aber, Herr Zauberkünstler Betta, oder wie Sie nun heißen, wir möchten gern alle mitmachen, damit's noch mehr Spaß gibt. Und ich möchte später auch Zauberkünstler werden. Vielleicht können Sie mich als Lehrling brauchen«, bat Emil.
Erwin: »Jawohl, Sie dürfen uns ruhig ein bißchen verzaubern und benutzen, det macht uns gar nichts.« (Er glaubte nämlich nicht an die Zauberei. Das war doch alles nur Trick und Schnelligkeit. Es konnte ihm dabei sicherlich nichts geschehen.)
So dachte auch Emil.
Der Zauberkünstler lachte. Außer seiner Zunge begann er nun auch noch die Lippen hin und her zu bewegen, als ob er etwas im Munde zermalmen müsse. Er nahm einige Spielkarten in die Hand und warf sie in die Luft. Dann fing er sie wieder auf, legte sie auf seine Hände, und plötzlich waren die Karten fort.
»Sucht sie«, befahl er.
Die Kinder überblickten das Zimmer, durchsuchten die Taschen des Zauberkünstlers, aber sie waren nirgends zu finden.
»Warum sucht ihr denn nicht in euren Taschen?«
Toll, Lucie hatte die Karten in ihrer Tasche. Das war wirklich sonderbar. »Aber ich stand doch ganz weit weg von Ihnen«, rief sie erschrocken.
Emil lachte: »Und trotzdem hat er sie dir eingesteckt.«
Der Zauberkünstler sah Emil zornig an.
»Bitte, bitte, noch etwas«, bat Mirjam, um ihn wieder zu versöhnen.
»Con piacere, mia bella«, lachte er und verbeugte sich vor Mirjam wie vor einer vornehmen Dame. Mirjam wurde rot und verlegen. Die andern kicherten.
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